Auch der Richter, der die Wahrheit sagt, kann befangen sein
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
In dem Scheidungsverfahren stritten sich die Beteiligten um den Beginn der Trennung und um die Frage, ob für den Ehemann ein Härtefall (§ 1565 II BGB) vorliegt. Nachdem der antragstellende Ehemann einen Versäunmnisbeschluss gegen sich hatte ergehen lassen, äußerte der Richter im Einspruchstermin, dass der Antragsteller-Vertreter mit diesem Verfahren das Geld seines Mandanten verbrenne.
Der prompt folgende Befangenheitsantrag war in 2. Instanz erfolgreich.
Der Richter habe mit seiner Äußerung den Rahmen sachbezogener Auseinandersetzung verlassen hat, indem er die Prozessführung des Verfahrensbevollmächtigten des Antragstellers in dessen Gegenwart durch bissige Ironie herabwürdigt habe. Eine Differenzierung zwischen der Besorgnis der Voreingenommenheit gegenüber dem Rechtsanwalt einerseits und dem Beteiligten selbst andererseits sei bei dieser Sachlage unangebracht, weil jedenfalls mit der Verfahrensführung auch das Anliegen des Beteiligten in der Sache abfällig kommentiert worden sei. Ferner werde der Äußerung der unsachliche Charakter nicht dadurch genommen, dass die sie veranlassende Rechtsansicht zutreffen mag, da es hier gerade nicht um die Richtigkeit der Rechtsansicht geht sondern um die Form ihrer Äußerung.
Es sei betont, dass es durchaus Aufgabe des Richters sein kann, im Rahmen einer mündlichen Verhandlung die rechtlichen und tatsächlichen Aspekte eines Verfahrens auch kontrovers mit den Beteiligten zu diskutieren, wobei es nachvollziehbarer Weise auch zu gereizten Reaktionen aller Beteiligter kommen kann, denen gegenüber der Richter sicherlich nicht verpflichtet ist, emotionslos zu reagieren. Will er aber vermeiden, Zweifel an seiner Unvoreingenommenheit zu wecken, ist es seine Aufgabe, nach einer etwaigen durch ihre Wortwahl unangemessenen Äußerung die Souveränität aufzubringen, gegenüber den Beteiligten klarstellende Worte zu finden, kraft derer die Beteiligten nachvollziehen können, dass eine Abwertung eines Beteiligten oder seines Anliegens nicht beabsichtigt war. Auch eine solche Klarstellung erfolgte vorliegend jedoch nicht.
OLG Köln v. 31.10.2012 - 4 WF 121/12