Zwangsweise Abgabe einer Spermaprobe?
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Der beklagte Mann und sein eineiiger Zwillingsbruder hatten mit der Mutter während der Empfängniszeit Geschlechtsverkehr gehabt.
Statt der üblichen 12 hatte der bestellte Sachverständige 1033 "Marker" bei seinem Abstammungsgutachten untersucht, aber kein eindeutiges Ergebnis erzielen können. (Die Kosten hierfür sollen sich bis dahin bereits auf 100.000 € belaufen haben.) Der Sachverständige hielt es indes für nicht ausgeschlossen, dass bei Untersuchung der wholegenome Sequencing ein eindeutiges Ergebnis erzielt werden könne.
Das BVerfG hatte die klageabweisende Entscheidung des OLG Celle aufgehoben und das OLG zu weiterer Forschung Beweisaufnahme verpflichtet (BVerfG v. 18.08.2010 - 1 BvR 811/09).
Die weiter zu Rate gezogenen Sachverständigen teilten dem OLG mit, nicht eine weitere Blut-, sondern eine Spermauntersuchung der beiden Männer könne theoretisch und vielleicht das Rätsel lösen.
Eine Spermaprobe wollte aber der beklagte Mann dem Senat nicht zur Verfügung stellen. Sein Zwillingsbruder teilte mit, die Abgabe einer Spermaprobe scheitere bereits daran, dass er sich zwischenzeitlich habe sterilisieren lassen.
An dieser Stelle brach das OLG die Beweisaufnahme ab:
Nach § 178 FamFG sei zur Feststellung der Abstammung eine Untersuchung nur zur dulden, wenn sie nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft eine Aufklärung des Sachverhalts verspricht und dem zu Untersuchenden nach der Art der Untersuchung und nach den Folgen ihres Ergebnisses für ihn ohne Nachteil für seine - physische oder psychische - Gesundheit zugemutet werden kann.
Das ist hier nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme nicht der Fall.
Darum hat der Beklagte die Abgabe einer Spermaprobe mit Recht verweigert, weshalb eine zwangsweise Durchsetzung durch Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 390 ZPO schon aus diesem Grund nicht in Betracht kommt. Mithin kann hier dahinstehen, ob und ggf. unter welchen Voraussetzungen ein solches Vorgehen im Hinblick auf das Recht auf Schutz der Menschenwürde und auf persönliche Freiheit in Gestalt des Rechts auf sexuelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1, Art. 2 GG) grundsätzlich verfassungsrechtlich zulässig wäre. Gleiches gilt für den Zeugen, der zudem nach seiner schriftlichen Erklärung, hinsichtlich deren Glaubhaftigkeit Zweifel weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich sind, infolge Durchführung einer Vasektomie zur Abgabe einer Spermaprobe nicht mehr in der Lage ist.
OLG Celle v. 30.01.2013 - 15 UF 51/06