Strafrechtliche Verschärfung der Abgeordnetenbestechung - Wer steht auf der Bremse?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Seit dem 31. Oktober 2003 existiert eine Konvention der UN gegen Korruption (UNCAC - wikipedia-Link ), die im Dezember desselben Jahres von Deutschland unterzeichnet wurde, aber nach neun Jahren – anders als in 161 anderen Staaten - noch immer nicht ratifiziert wurde.
Hintergrund: Nach der UN-Konvention muss auch die Bestechlichkeit und Bestechung von Abgeordneten bekämpft werden und,nach fast übereinstimmender Meinung in der juristischen Fachwelt und Praxis Deutschlands genügt § 108 e StGB diesem Anspruch bislang nicht:
Nur der direkte "Kauf" und "Verkauf" einer Stimme (und der Versuch) ist derzeit strafbar, korruptes Verhalten von Abgeordneten im Vorfeld und Umfeld von Abstimmungen von der Norm bleibt straffrei, ebenso wie die "politische Landschaftspflege" durch Einzelpersonen und Lobbyisten.
Heute hat Netzpolitik.org ein schon 2008 erstelltes Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestags ins Netz gestellt, Autorin ist Ariane Schenk. Was daran so „geheim“ sein soll, dass es bislang nicht veröffentlicht wurde (der BT beruft sich hierzu auf das Urheberrecht), entzieht sich meiner Kenntnis. Die dort vor vier Jahren dargelegten Sachverhalte sind jedenfalls allgemein öffentlich zugänglich, zum Teil längst bekannt. Das Gutachten ist eine gute Zusammenstellung der "Rechtsfragen im Kontext der Abgeordnetenkorruption", und verweist auf die entspr. Regelungen in anderen europäischen Staaten und in den USA, wobei zutreffend festgestellt wird, dass es in vielen anderen demokratische Staaten offenbar ohne Weiteres möglich ist, die Korruption von Abgeordneten strafrechtlich zu reglen. Deutschland gilt international mit dem bisherigen § 108 e StGB als Außenseiter.
Die derzeitige Regierungskoalition hat § 108 e StGB offenbar trotz des dringenden Regelungsbedarfs und dieses peinlichen internationalen Auftritts Deutschlands nicht auf der Agenda.
Anders als in den meisten anderen Staaten der Welt haben die Bundestagsabgeordneten v.a. damit Probleme, sich als Amtsträger aufzufassen bzw. analog den Behördenvertretern behandelt zu werden. Politische Interessenvertretung müsse ja (anders als die Tätigkeit von Amtsträgern) nicht neutral erfolgen und auch (v.a. politische) Vorteile gehörten durchaus zum erlaubten parlamentarischen Geschäft. Das (zu lösende) Problem liegt also darin, die „erlaubten“ Vorteile im Tatbestand von den „unerlaubten“ zu trennen. Bislang haben die Oppositionsparteien Vorschläge unterbreitet, die Regierungsfraktionen halten sich mit eigenen Vorschlägen zurück, kritisieren aber gern die der anderen.
Schau´n wir mal (Auszüge, entscheidende Formulierungen fett):
Formulierung des § 108 e StGB nach Vorschlag
1. der Fraktion der GRÜNEN (BT-Drs. 17/5933)
(1) Wer als Mitglied
1. einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemein- den oder Gemeindeverbände oder
(…) einen rechtswidrigen Vorteil für sich oder einen Dritten als Gegenleistung dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er in Ausübung seines Mandates in der Volksvertretung oder im Gesetzgebungsorgan eine Handlung zur Vertretung oder Durchsetzung der Interessen des Leistenden oder eines Dritten vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(…)
(3) Ein rechtswidriger Vorteil liegt vor, wenn seine Verknüpfung mit der Gegenleistung als verwerflich anzusehen ist.
(4) Einem Mitglied im Sinne der Absätze 1 und 2 steht eine Person gleich, die sich um ein Mandat in einer Volksvertretung oder einem Gesetzgebungsorgan bewirbt.
2. der Fraktion DIE LINKE (BT-Drs. 17/1412)
„(1) Ein Mitglied
1. einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände oder
(…)
das für eine Handlung oder Unterlassung, die im Zusammenhang mit der Ausübung seines Mandats steht, einen Vorteil für sich oder einen Dritten fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, wird, wenn dies seiner aus dem Mandat folgenden rechtlichen Stellung widerspricht, mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft
(2) Wer durch eine Tat nach Absatz 1 eine Stimme für eine Wahl oder Abstimmung im Europäischen Parlament oder in einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemeinden oder Gemeindeverbände verkauft, wird mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“
3. der Fraktion der SPD (Bt-Drs. 17/8613)
„(1) Wer als Mitglied
1. einer Volksvertretung des Bundes, der Länder, Gemein- den oder Gemeindeverbände oder
2. (…) einen Vorteil für sich oder einen Dritten dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, dass er bei der Wahrnehmung seines Mandates eine Handlung im Auftrag oder auf Weisung vornehme oder unterlasse, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geld- strafe bestraft.
(…)
(3) Ein politisches Mandat oder eine politische Funktion stellen keinen Vorteil im Sinne dieser Vorschrift dar. Auch eine nach dem Parteiengesetz oder entsprechender Gesetze zulässige Parteispende stellt keinen Vorteil dar. Auch eine Zuwendung, die im Rahmen der Wahrnehmung des Mandates parlamentarischen Gepflogenheiten entspricht, stellt keinen Vorteil dar.“
Eigentlich müssten die drei Vorschläge nach den Absichtsbekundungen im Bundestag längst intensiv in den Ausschüssen diskutiert werden. Aber steht da jemand auf der Bremse?
Immerhin wird am 17.Oktober im Rechtsausschuss über die Anträge diskutiert. Endlich.