BAG: Keine Annahmeverzugsvergütung bei Streikteilnahme
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Ein interessante Konstellation im Schnittbereich von Arbeitskampfrecht und Individualarbeitsrecht hatte jetzt das BAG (Urteil vom 17.7.2012 - 1 AZR 563/11) zu entscheiden: Steht einem Arbeitnehmer, dem fristlos gekündigt worden war und der im anschließenden Kündigungsschutzprozess erfolgreich war, für die Zeit vom Zugang der Kündigung bis zur Verkündung des die Unwirksamkeit der Kündigung feststellenden Urteils Annahmeverzugslohn auch dann zu, wenn er sich in diesem Zeitraum an einem Streik beteiligt? Folgender Sachverhalt lag der Entscheidung zu Grunde: Nachdem bei der Beklagten Verhandlungen über den Abschluss eines Haustarifvertrags gescheitert waren, rief die IG BAU die Beschäftigten am 13. April 2010 zu einem unbefristeten Streik auf. Während des Arbeitskampfes wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit Schreiben vom 22. April 2010 fristlos gekündigt. Mit Urteil vom 14. Juli 2010 stellte das Arbeitsgericht die Unwirksamkeit dieser Kündigung fest. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte sich die Klägerin durchgehend am Streik beteiligt. Mit ihrer Klage verlangt sie Annahmeverzugslohn für die Zeit vom Zugang der Kündigung bis zur Urteilsverkündung. Sie macht geltend, nach Erhalt der Kündigung habe sie nicht mehr im Rechtssinne streiken, sondern sich nur noch mit den streikenden Kollegen solidarisch erklären können. Das BAG bestätigt die klageabweisenden Urteile der Vorinstanzen. Der Klägerin stehe der geltend gemachte Annahmeverzugslohn nicht zu. Aufgrund des der Kündigungsschutzklage stattgebenden Urteils stehe zwar fest, dass zwischen den Parteien auch während der Dauer des Arbeitskampfes ein Arbeitsverhältnis bestand. Doch sei die Klägerin wegen ihrer Streikteilnahme leistungsunwillig iSd. § 297 BGB gewesen. Das schließe einen Anspruch auf Annahmeverzugslohn nach § 615 BGB aus. Diese Sichtweise wird von der ganz h.M. geteilt. Der Weg über § 297 BGB mutet jedoch etwas sonderbar an, fehlt es doch aufgrund der Streikteilnahme und der damit einhergehenden Suspendierung der Hauptleistungspflichten schon an einem erfüllbaren Arbeitsverhältnis und damit an der Grundlage für einen Annahmeverzugsanspruch.