Bindung an eine telefonisch erklärte Kündigung?
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Die Betreiber eines Friseursalons kündigten einer Friseurin fristlos, die sich dagegen mit einer Kündigungsschutzklage wehrte. Im Mittelpunkt des Verfahrens vor dem LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 8.2.2012, BeckRS 2012, 70135) stand jedoch doch die Vorfrage, ob das Arbeitsverhältnis nicht bereits zuvor durch eine Eigenkündigung der Klägerin beendet worden war. Das LAG nahm das an und bestätigte - insoweit folgerichtig – das die Kündigungsschutzklage abweisende Urteil der ersten Instanz. Insoweit war folgender Sachverhalt zu würdigen: Die Klägerin hatte am 23.3.2010 gegen 9.00 Uhr ihren Arbeitgebern telefonisch erklärt, sie kündige fristlos. Auf den Einwand der bevorstehenden Osterfeiertage hin hat sie mit der Bemerkung „das ist mir egal“ ihre Erklärung bekräftigt und die Aufforderung, doch wenigstens die Kündigungsfrist einzuhalten, mit den Worten „das ist mir scheißegal“ geantwortet. Später gab die Klägerin vor, sie könne sich nicht daran erinnern, fristlos gekündigt zu haben. Das LAG bewertet dies wie folgt: „Bei dieser Sachlage ist es der Klägerin nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf …. auf die Nichteinhaltung der Schriftform (§ 623 BGB) zu berufen. Insoweit greift nämlich der Grundsatz des sog. „venire contra factum proprium“ (widersprüchliches Verhalten), wonach die Geltendmachung der Unwirksamkeit einer eigenen Willenserklärung dann als rechtsmissbräuchlich angesehen wird, wenn besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen. Ein Arbeitnehmer, der - wie im vorliegenden Fall die Klägerin - eine fristlose Kündigung mehrmals - und zwar entgegen den Vorhaltungen der anderen Seite - ernsthaft und nicht nur einmalig spontan ausgesprochen hat, sich sodann nachträglich jedoch auf die Unwirksamkeit der eigenen Erklärung beruft, verhält sich treuwidrig (vgl. BAG v. 04.12.1997, NZA 1998, 420). Der Klägerin ist es daher verwehrt, sich zu ihrem Vorteil auf Rechtsvorschriften zu berufen, die sie selbst missachtet hat.“ Das vermag allerdings kaum zu überzeugen. Die zitierte Entscheidung des BAG stammt vor der Einführung des Schriftformerfordernisses. Die Warnfunktion des § 623 BGB zielt darauf, dem Erklärenden Gelegenheit zu geben, seinen spontanen Kündigungsentschluss zumindest noch einmal zu überdenken. Dieser Übereilungsschutz wird missachtet, wenn die Arbeitnehmerin an eine telefonisch erklärte Kündigung gebunden wird, die sie – erkennbar – in einem Zustand der Verärgerung abgegeben hat. Dass sie im Verlaufe dieses (einen) Telefonats die Kündigung mehrfach bekräftigte, spielt demgegenüber keine Rolle. Generell sollte man bei der Überwindung der Nichtigkeit einer Kündigung wegen Nichtbeachtung des Schriftformerfordernisses aus § 623 BGB über den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung eher zurückhaltend sein.