Der Arme auf Reisen
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Dem Beteiligten war Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden. Zu dem Termin bei einem weitentfernten Gericht war sein persönliches Erscheinen angeordnet worden.
Dorthin begab er sich und machte hinterher seine Reisekosten geltend.
„Nichts da“, sprach der Kostenbeamte. „Der Umstand, dass du zu dem Termin anreisen konntest zeigt doch, dass du genug Geld hattest, um die Reise zu finanzieren. Du hättest dich vor dem Termin melden müssen, dann hätten wir dir eine Fahrkarte (allerdings ohne teure ICE-Verbindung) geschickt."
Dazu das OLG Brandenburg:
Nach inzwischen ganz vorherrschender und vom Senat geteilter Auffassung in Rechtsprechung und Literatur sind der bedürftigen Partei entstandene Reisekosten im Rahmen bewilligter Prozess-/Verfahrenskostenhilfe grundsätzlich auch dann zu erstatten, wenn die Partei dies erst verlangt, nachdem sie die Kosten zunächst verauslagt hat. Die Partei braucht sich die Ausgabe nicht etwa vorher „genehmigen“ zu lassen. Entscheidend ist allein, ob sie den verauslagten Betrag entbehren kann, ohne über das Maß des § 115 ZPO hinaus belastet zu werden.
Beantragt die Partei die Kostenerstattung allerdings nicht vor bzw. während des Termins oder zumindest im unmittelbaren Anschluss an den Termin, zu welchem ihr persönliches Erscheinen angeordnet war, kann dies gegen ihre Mittellosigkeit sprechen. Dies ist der Fall, wenn die nachträgliche Antragstellung nicht alsbald erfolgt (vgl. OLG Zweibrücken, OLGR 2006, 196; Horndasch-Viefhues/Götsche, FamFG, 2. Aufl. 2010, § 76 Rn. 145; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozesskostenhilfe und Beratungshilfe, 5. Aufl., Rdnr. 622). Denn mit einer i. d. S. verspäteten Antragstellung verdeutlicht die Partei, dass sie auf die Reisekostengewährung nicht zwingend angewiesen war; wer längere Zeit ohne die Erstattung dieser Kosten auskommt, zeigt, dass er die Reisekostenentschädigung nicht dazu braucht, um eine der Terminswahrnehmung entgegenstehende Mittellosigkeit zu bewältigen (Brandenburgisches OLG JurBüro 1996, 142).
In welchem Zeitrahmen eine nachträgliche Antragstellung noch alsbald erfolgt, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Antragstellung 6 Wochen (OLG Zweibrücken JurBüro 1989, 233, 235) oder 7 Wochen (Brandenburgisches OLG, JurBüro 1996, 142) nach dem Termin ist jedenfalls verspätet. Vorliegend ist der Antrag erst nach Ablauf von rd. 11 Wochen beim Amtsgericht, sodann erst nach 3 Monaten beim zuständigen Brandenburgischen OLG eingegangen und somit erkennbar verspätet gestellt worden. Die nachträgliche Bewilligung scheidet daher aus.
OLG Brandenburg vom 27.03.2012 - 9 UF 128/11