Abzocke mit Abofalle: LG Hamburg verurteilt wegen Betrugs (mit Update 24.03.)
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Das Urteil könnte eine Signalwirkung haben: Zu immerhin fast vier Jahren Freiheitsstrafe wegen gewerbsmäßigen Betrugs hat das LG Hamburg den Betreiber mehrerer Abzockseiten (u.a. 99downloads.de) verurteilt (Quelle). Die Mitangeklagten kamen "günstiger" davon.
Allerdings wird man wohl auf die Rechtskraft noch warten müssen, denn - wie RA Hoenig, einer der Strafverteidiger - in seinem Blog berichtet, gab es im Verfahren einige Ungereimtheiten und (möglicherweise) auch erhebliche Verfahrensfehler.
Zur eindeutigen Beantwortung der grundsätzlichen und strafrechtlich spannenden Frage, ob eine Abofalle auch dann Betrug ist bzw. sein kann, wenn die Kostenpflicht auf der Seite - wenn auch im "Kleingedruckten" - erkennbar ist, wird es wohl einer BGH-Entscheidung bedürfen. Die aber ist immerhin jetzt möglich geworden.
Zur Diskussion: Gutachten von Viola Schmid, Entscheidung (Beck-Online-Link) des LG Frankfurt (Beschluss vom 5.3.2009 - 5/27 Kls 3330 Js 212484/07 KLs – 12/08 = MMR 2009, 421),
maßgebliche Gründe des LG Frankfurt für seinen Nichtzulassungsbeschluss:
Daraus, dass die Kostenpflichtigkeit möglicherweise nicht auf den ersten Blick erkennbar ist, folgt allerdings nicht, dass es sich hierbei um eine Täuschung handelt. So gibt es keinen allgemeinen Vertrauensschutz dahingehend, dass man bei Dienstleistungen – sei es im Internet oder auch im sonstigen Leben – auf den ersten Blick erkennen können muss, dass es sich um ein kostenpflichtiges Angebot handelt. Es ist vielmehr keineswegs unüblich, dass derartige Angaben – oder auch solche über die Höhe des Entgelts – erst bei genauerem Lesen des Angebots erkennbar sind. ...
Spätestens bei der für die Anmeldung erforderlichen Eingabe der persönlichen Daten ist auch aus Sicht eines durchschnittlichen Internetnutzers eine sorgfältigere Befassung mit den Inhalten der jeweiligen Website angezeigt. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des angebotenen Gewinnspiels. Denn selbst wenn Internetnutzer einen Zusammenhang der Dateneingabe mit dem Gewinnspiel vermutet haben sollten, so gebietet allein das Eingeben von sensiblen Daten – im Gegensatz zum bloßen Abrufen von Informationen –, dass man zuvor eine sorgfältigere Prüfung des Hintergrunds des Erfordernisses dieser Eingabe vornimmt. Hierzu gehört auch, die Website genauer als beim „bloßen Surfen” zur Kenntnis zu nehmen. So ist die Eingabe der Daten in ein Formular im Internet durchaus vergleichbar mit dem Ausfüllen eines Papierformulars, bei der man grds. auch mit erhöhter Aufmerksamkeit den Inhalt des Schriftstücks prüft bzw. zur Kenntnis nimmt. Dieses Maß an Sorgfalt bzw. Aufmerksamkeit ist auch einem möglicherweise nur flüchtig aufmerksamen Internetnutzer spätestens in dem Moment, in dem er persönliche Daten eingeben soll, zuzumuten.
Ich bin gespannt auf die schriftliche Urteilsbegründung des LG Hamburg und darauf, wie der BGH (hoffentlich) diese praktisch wichtige rechtliche Frage entscheidet.
Und gespannt bin ich auch auf Ihre Diskussionsbeiträge.
In anderen Blogs wird die Frage aufgeworfen, ob § 263 auch die Dummen schütze. Anlass ist eine Äußerung des Hauptangeklagten in einem Chat, den die Vors. Richterin in ihrer Urteilsbegründung zitierte: "Wir wollen die Dummen und die Angstzahler" Selbstverständlich (vielfach bestätigt) schützt § 263 StGB auch die "Dummen". Aber m.E. kommt man auch damit nicht an dem obj. Merkmal der Täuschung vorbei. Die "Dummen" bzw. Unaufmerksamen werden nicht vor Vermögensverlust im Allgemeinen geschützt, sondern nur, wenn sie zuvor durch Täuschung in einen Irrtum versetzt worden sind. Das Wort "Angstzahler" weist auf einen anderen Zusammenhang hin: Dass nämlich meist erst eine zusätzliche Nötigung durch Inkassobetriebe bzw. Rechtsanwälte die "Kunden" zur Zahlung veranlasste. Dort spielt für mich ein Teil der Musik...
Update (24.03): tatsächlich hebt das OLG Hamburg auf die Zahlungsaufforderung als Täuschungshandlung ab, nicht auf die Website - das halte ich für zutreffend:
Mit den an die Kunden versandten Zahlungsaufforderungen täuschten die Angeklagten den Kunden vor, diese seien eine vertragliche Zahlungsverpflichtung eingegangen. Tatsächlich waren jedoch keine Verträge zustande gekommen, weil den Angeklagten wegen des Inhalts ihrer sinnlosen Angebote und der gezielten Gestaltung ihrer Websites klar war, dass Kunden, die sich dort anmeldeten, den Kostenhinweis übersehen hatten. Wenn aber ein Kunde keine entgeltliche Leistung in Anspruch nehmen möchte und der Anbieter dies erkennt bzw. hiervon ausgeht, kommt kein Vertrag über eine kostenpflichtige Leistung zustande.