Staatsanwaltliche Ermittlungen kein Rücktrittsgrund für Wulff?
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Der aktuelle SPIEGEL Nr. 8 vom 18.2. 2012 – überholt durch den Rücktritt des Bundespräsidenten – titelte bereits "Staatsanwalt gegen Staatsoberhaupt: Der unvermeidliche Rücktritt“ und schrieb in der Zwischenüberschrift zu dem Beitrag auf S. 22 u.a: „Nun wollen Staatsanwälte in Hannover ermitteln, ob Christian Wulff korrupt gehandelt hat. Damit ist er im Amt nicht mehr zu ertragen.“
Der Rücktritt des Bundespräsidenten wirft nun die Fragen auf,
ob ein Staatsanwalt über das Schicksal des Bundespräsidenten entschieden hat,
nach der Weisungsgebundenheit der Staatsanwälte, konkret: ob das niedersächsische Justizministerium eine Weisung erteilte, ein Ermittlungsverfahren gegen den Bundespräsidenten einzuleiten, sowie
ob allein ein staatsanwaltliches Ermittlungsverfahren einen Rücktrittsgrund bildet.
Auf diese Fragen geht Reinhard Müller in faz.net ein, der auch in der gestrigen Ausgabe der FAZ auf S. 10 abgedruckt wurde.
Zitiert wird auch der Justiziar der Linksfraktion und ehemalige RiBGH Wolfgang Neskovic mit der Äußerung: "Wollte man bei dieser Sachlage allein in der Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens einen Rücktrittsgrund sehen, dann hätten es (weisungsgebundene) Staatsanwälte in der Hand, ob ein Politiker zurücktreten muss oder nicht." - Die bloße Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens kann es sicher nicht sein, denn gegen Politiker (aber auch gegen Richter und Staatsanwälte) gehen zahlreiche Anzeigen ein, und diese Anzeigen sind (nur dann) als förmliches Ermittlungsverfahren in das Js-Register (nicht in das allgemeine AR-Register) einzutragen, wenn sich schon allein aufgrund des Sachvortrags des Anzeigeerstatters zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für ein strafbares Verhalten ergeben. Kein Staatsanwalt wird aber von Amts wegen vorschnell ein Ermittlungsverfahren gegen den Bundespräsidenten einleiten, wenn nicht aufgrund vorliegender ausreichender tatsächlicher Anhaltspunkte die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens veranlasst ist, um dem in § 152 Abs. 2 StPO verankerten Legalitätsprinzip zu entsprechen. Für die Einleitung des Ermittlungsverfahrens gegen Wulff durch die Staatsanwaltschaft Hannover am Samstag war sein Vermerk zu Bürgschaften für Groenewold (Zitat aus dem Artikel von Robert von Lucius in faz.net):
>>In den übermittelten Akten fand sich ein Vermerk Wulffs in grüner Tinte, auf den der CDU-Politiker Peter Hintze, der Wulff in Talkshows öffentlich verteidigte, in einer Fernsehdebatte am Sonntagabend zum Erstaunen der Staatskanzlei wie auch der Staatsanwaltschaft aufmerksam gemacht hatte, der nun gegen Wulff verwendet wird. In dem Vermerk Wulffs heißt es nicht nur, man solle bei Bürgschaften des Landes für Groenewold „äußerste Zurückhaltung“ wahren, sondern auch - was Hintze nicht zitierte -, eine generelle Ablehnung von Bürgschaften für Filmproduktionen sei „überzogen“ und „fundamental“.
Wulffs Vermerk auf einer Vorlage aus dem Medienreferat bewegte die Ermittler dazu, rascher als von ihnen selbst bis zur Wochenmitte erwartet die Aufhebung der Immunität zu beantragen. Bestärkt hatten sie bei ihrer Entscheidung Merkwürdigkeiten im Zusammenhang mit der vom Finanzministerium in Abstimmung mit der Staatskanzlei zugesagten, aber nicht in Anspruch genommenen Landesbürgschaft an ein Unternehmen Groenewolds. Die Ausfallbürgschaft an die Firma, die von 2007 an Waterfall Productions hieß, war nach Informationen der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung nur zwölf Tage nach der Unterzeichnung des Gesellschaftervertrages der Produktionsgesellschaft mit Sitz in Hannover zugesagt worden, die dann aber keinen einzigen Film herstellte.<<
Dieser Vermerk (von Thomas Gutschker in faz.net als "tödlicher Vermerk" bezeichnet und betitelt) musste die Staatsanwaltschaft in Hannover auf den Plan rufen! Die Anknüpfung von Rüchtrittsforderungen an die Aufnahme von Ermittlungen gegen Wulff sehe ich daher als berechtigt an.