Der Vater, der nicht mehr mit der Mutter sprechen will - schöne Zusammenfassung des Rechts des Betreuungsunterhalts
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Die beteiligten Ex-Ehepartner haben 4 gemeinsame Kinder (geb. 1996, 1998, 1999 und 2001), die bei der Mutter wohnen. Anlässlich der Scheidung 2006 wurde er zur Zahlung von Kindes- und nachehelichem Unterhalt verurteilt.
Nun begehrte er Abänderung des Ehegattenunterhalts, (u.a.) mit der Begründung auch unter Berücksichtigung der Kinderbetreuung sei ihr bereits 2009 eine mehr als halbschichtige Erwerbstätigkeit möglich gewesen, ab 1. 1. 2011 eine vollschichtige Tätigkeit. Im Übrigen stehe er selbst zur Kinderbetreuung zur Verfügung.
Das OLG Hamm hat das Recht des Betreuungsunterhalts seit der Reform 2008 schön zusammengefasst (Rechtsprechungszitate hier weggelassen):
Der Gesetzgeber hat mit der Neuregelung des §§ 1570 BGB den nachehelichen Betreuungsunterhalt grundlegend umgestaltet. Er hat einen auf drei Jahre befristeten Basisunterhalt eingeführt, der aus Gründen der Billigkeit verlängert werden kann. Im Rahmen dieser Billigkeitsentscheidung sind nach dem Willen des Gesetzgebers kind- und elternbezogene Verlängerungsgründe zu berücksichtigen. Obwohl der Betreuungsunterhalt nach §§ 1570 BGB als Unterhaltsanspruch des geschiedenen Ehegatten ausgestaltet ist, wird er vor allen Dingen im Interesse des Kindes gewährt, um dessen Betreuung und Erziehung sicherzustellen.
Für die Zeit ab Vollendung des dritten Lebensjahres steht dem betreuenden Elternteil nach der gesetzlichen Neuregelung nur dann ein fortdauernder Anspruch auf Betreuungsunterhalt zu, wenn und soweit dies der Billigkeit entspricht (§ 1570 II BGB). Damit verlangt die Neuregelung allerdings regelmäßig keinen abrupten Wechsel von der elterlichen Betreuung zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit. Nach Maßgabe der im Gesetz genannten kindbezogenen Gründe ist auch nach dem neuen Unterhaltsrecht ein gestufter Übergang bis hin zu einer Vollzeiterwerbstätigkeit möglich.
Zugleich hat der Gesetzgeber mit der gesetzlichen Neuregelung des § 1570 BGB dem unterhaltsberechtigten Elternteil die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Dauer von drei Jahren hinaus auferlegt. Kind- oder elternbezogene Gründe, die zu einer Verlängerung des Betreuungsunterhalts über die Vollendung des dritten Lebensjahres hinaus aus Gründen der Billigkeit führen könnten, sind deswegen vom Unterhaltsberechtigten darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen
Die Betreuungsbedürftigkeit des Kindes ist nach den individuellen Verhältnissen zu ermitteln. Nur wenn das betroffene Kind einen Entwicklungsstand erreicht hat, in dem es unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zeitweise sich selbst überlassen bleiben kann, kommt es aus kindbezogenen Gründen insoweit nicht mehr auf eine vorrangig zu prüfende Betreuungsmöglichkeit in einer kindgerechten Einrichtung an
Kindbezogene Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts nach Billigkeit entfalten im Rahmen der Billigkeitsentscheidung das stärkste Gewicht und sind deswegen stets vorrangig zu prüfen.
Allerdings hat der Gesetzgeber mit der Neuregelung des Betreuungsunterhalts zum 1. 1. 2008 für Kinder ab Vollendung des dritten Lebensjahres grundsätzlich den Vorrang der persönlichen Betreuung gegenüber anderen kindgerechten Betreuungsmöglichkeiten aufgegeben. In dem Umfang, in dem das Kind nach Vollendung des dritten Lebensjahres eine kindgerechte Einrichtung besucht oder unter Berücksichtigung der individuellen Verhältnisse besuchen könnte, kann sich der betreuende Elternteil also nicht mehr auf die Notwendigkeit einer persönlichen Betreuung des Kindes und somit nicht mehr auf kindbezogene Verlängerungsgründe i. S. von § 1570 I 3 BGB berufen. Das gilt sowohl für den rein zeitlichen Aspekt der Betreuung als auch für den sachlichen Umfang der Betreuung in einer kindgerechten Einrichtung Die Berücksichtigung elternbezogener Gründe für eine Verlängerung des Betreuungsunterhalts ist hingegen Ausdruck der nachehelichen Solidarität. Maßgeblich ist dabei das in der Ehe gewachsene Vertrauen in die praktizierte Rollenverteilung und die gemeinsame Ausgestaltung der Betreuung. Das Vertrauen des unterhaltsberechtigten Ehegatten gewinnt bei längerer Ehedauer oder bei Aufgabe der Erwerbstätigkeit zur Erziehung gemeinsamer Kinder weiter an Bedeutung (§ 1570 II BGB). Die ausgeübte oder verlangte Erwerbstätigkeit des betreuenden Elternteils darf neben dem nach der Erziehung und Betreuung in einer Tageseinrichtung verbleibenden Anteil der persönlichen Betreuung nicht zu einer überobligatorischen Belastung des betreuenden Elternteils führen.
Unter Berücksichtigung des konkreten Betreuungsbedarfs ist dann eine Prüfung geboten, ob und in welchem Umfang die Erwerbsobliegenheit des unterhaltsberechtigten Elternteils auch während der Zeit der möglichen Betreuung des Kindes in einer kindgerechten Einrichtung eingeschränkt ist.
Im konkreten Fall hält der Senat eine Halbtagstätigkeit der Mutter in ihrem Beruf als Krankenschwester für zumutbar.
Auf eine Ausweitung der Betreuung der Kinder durch den Vater müsse sich die Mutter nicht verweisen lassen, da diese nicht dem Kindeswohl entspreche.
Hinsichtlich G folgt dies bereits daraus, dass zwischen ihr und ihrem Vater seit fünf Jahren überhaupt keine Umgangskontakte mehr stattfinden, offenbar weilG den Kontakt verweigert. In einer solchen Situation müsste ein Umgang zunächst vorsichtig wieder angebahnt werden und könnte jedenfalls nicht ohne längere Übergangszeit die Betreuung durch die Kindesmutter ersetzen. Auch zwischen dem Kl. und B ist es nach Angaben der Parteien in der mündlichen Verhandlung für die Dauer eines Jahres zu einer Unterbrechung des Umgangs gekommen, auch wenn dieser in der Zwischenzeit wieder aufgenommen ist.
Unabhängig hiervon aber steht einer erheblichen Ausweitung der Betreuung durch den Kl., wie das AG zu Recht hervorgehoben hat, der Umstand entgegen, dass eine Kommunikation zwischen den Kindeseltern nur schriftlich stattfindet. Noch in der mündlichen Verhandlung hat der Kindesvater auf Nachfrage des Senats spontan geäußert, dass er auf keinen Fall mit der Kindesmutter sprechen wolle. Eine Entlastung der Bekl. bei der Versorgung und Betreuung der Kinder, die ihr eine erhebliche Ausweitung der Erwerbstätigkeit ermöglichen würde, setzt voraus, dass der Kl. auch inhaltlich die Betreuung der Kinder in dieser Zeit übernimmt. Dann ist es zur Wahrung des Kindeswohls aber auch notwendig, dass sich die Kindeseltern über die Belange ihrer Kinder austauschen können. Ein solcher Austausch, soll er umfassend und effizient sein, kann nicht lediglich auf schriftlichem Wege erfolgen.
OLG Hamm v. 14. 9. 2011 − 5 UF 45/11 mit Bespr. Zimmermann in FamFR 2011, 541