Kündigung eines Arbeitnehmers mit HIV-Infektion
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Das LAG Berlin-Brandenburg (Urteil vom 13. Januar 2012 – 6 Sa 2159/11) hatte sich jüngst mit der Kündigung eines Arbeitnehmers mit einer HIV-Infektion zu befassen. Der klagende Arbeitnehmer wurde von einem Pharmaunternehmen als chemisch-technischer Assistent beschäftigt und bei der Herstellung von Medikamenten im „Reinbereich“ eingesetzt. Der Arbeitgeber hatte für diesen Fertigungsbereich allgemein festgelegt, dass Arbeitnehmer mit Erkrankungen jedweder Art – insbesondere auch Arbeitnehmer mit HIV-Infektion – nicht beschäftigt werden dürfen. Nachdem der Arbeitgeber von der HIV-Infektion des Arbeitnehmers erfahren hatte, kündigte er das Arbeitsverhältnis unter Einhaltung der Kündigungsfrist noch während der Probezeit. Das Kündigungsschutzgesetz mit dem Erfordernis der sozialen Rechtfertigung schied damit als Prüfungsmaßstab aus. Wohl aber blieb der Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB). Ein Verstoß hiergegen konnte das LAG indes nicht erkennen. Dem Arbeitgeber könne nämlich nicht verwehrt werden, für die Medikamentenherstellung allgemein den Einsatz erkrankter Arbeitnehmer auszuschließen. Die Entscheidung, einen dauerhaft mit dem HI-Virus infizierten Arbeitnehmer zu entlassen, sei auf dieser Grundlage nicht zu beanstanden. Der Arbeitnehmer hatte ferne eine Entschädigung nach dem AGG geltend gemacht, die ihm das LAG folgerichtig ebenfalls versagte. In diesem Zusammenhang stellen sich zwei Fragen: Erstens ist umstritten, ob der diskriminierend entlassene Arbeitnehmer überhaupt eine Entschädigung verlangen kann, da nach § 2 Abs. 4 KSchG für Kündigungen ausschließlich die Bestimmungen zum allgemeinen und besonderen Kündigungsschutz gelten. Dazu verhält sich die Pressemitteilung nicht. Zweitens ist nicht sicher, ob die bloße (symptomlose) HIV-Infektion eine Behinderung im Sinne des AGG darstellt. Für eine ausgebrochene AIDS-Erkrankung wird man das wohl bejahen können. Das LAG lässt diese Frage sowie diejenige, ob der im Vergleich zu anderen erkrankten Arbeitnehmern ungleich behandelt worden ist, dahingestellt. Denn eine – einmal angenommene – Ungleichbehandlung des Arbeitnehmers sei wegen des Interesses des Arbeitgebers, jedwede Beeinträchtigung der Medikamentenherstellung durch erkrankte Arbeitnehmer auszuschließen, gerechtfertigt. Die Revision wurde zugelassen.