Der Bundespräsident und das Vertragsrecht
Gespeichert von Prof. Dr. Thomas Hoeren am
In den letzten Tagen wurde viel über das Verhalten des Bundespräsidenten geschrieben; dazu sei hier nichts gesagt. Mir geht aber eine Äußerung des Bundespräsidenten aus seinem ARD/ZDF-Interview nicht aus dem Kopf.
Der Bundespräsident wörtlich zu den Vertragsverhandlungen mit der BW-Bank über seinen Hauskredit:
"Denn wenn Sie am 25. November sich geeinigt haben und die Bank das eingebucht hat, sich dafür abgesichert hat, dann ist der Vertrag geschlossen. Am 25.11.! Dass der dann noch sozusagen vertraglich unterschrieben wird, die Bank mir das zuschickt, ich das zurückschicke, ist eine Durchführung, die aber gar nicht notwendig ist, weil ein mündlicher Vertragsschluss reichen würde. Es gilt auch Handschlagqualität in diesem Bereich, wenn man sich mit einer Bank verständigt."
http://www.n-tv.de/politik/Wulff-Interview-im-Wortlaut-article5138936.html
Der Text ist rätselhaft und bedarf vor allem deshalb einer Klarstellung, als er für viele VerbraucherInnen (und manchen Jurastudierenden) unter Umständen irreführend sein könnte.
Verbraucherdarlehensverträge bedürfen nach § 492 Abs. 1 BGB der Schriftform. Der Schriftform ist genügt, wenn Antrag und Annahme durch die Vertragsparteien jeweils getrennt schriftlich erklärt werden ( § 492 Abs. 1 S. 2 BGB). Mündliche abgeschlossene Verbraucherdarlehensverträge wären somit grundsätzlich formnichtig (§ 494 BGB als lex specialis ggü. § 125 S. 1 BGB).
Worauf der Bundespräsident evtl. anspielt, ist die Rechtsprechung zur treuwidrigen Berufung auf formnichtige Verträge. In diese Richtung zielt zumindest sein Hinweis auf die "Handschlagqualität". In der Tat können zB besonders schwere Pflichtverletzungen die Berufung auf die Formnichtigkeit unzulässig machen (dazu etwa Armbrüster, NJW 2007, 3317 ff. und Hagen, DNotZ 2010, 644, 652 ff.). Aber das sind sehr seltene, eng auszulegende Ausnahmetatbestände in der Nähe der Arglist.
Grundsätzlich wird man einem Kredinstitut nicht verwehren können, dass es nach mündlichen Vorverhandlungen aus sachlichen Gründen doch noch vom Abschluß eines (schriftlichen) Vertrages Abstand nehmen oder diesen modifizieren möchte (man denke etwa an kurzfristige Zinsänderungen oder Zweifel der Geschäftsführung an der Opportunität eines Vertrages mit dem Bundespräsidenten).
Insofern sind die Ausführungen des gelernten Anwalts und heutigen Bundespräsidenten gerade wegen seines juristisch gefärbten Lebenslaufs ergänzungsbedürftig.