Der "Rammstein"-affine Jugendliche als Maßstab jugendschutzrechtlicher Wertung
Gespeichert von Prof. Dr. Marc Liesching am
Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) war zuvor im Rahmen der Indizierungsentscheidung davon ausgegangen, dass der Tonträger als geeignet anzusehen sei, Kinder und Jugendliche nach § 18 Abs. 1 JuSchG in ihrer Entwicklung zu beeinträchtigen und zudem Belange der Kunst im Rahmen der Interessenabwägung zurückzustehen haben.
Das Verwaltungsgericht teilt im angefochtenen Urteil diese Auffassung nicht und führt unter anderem aus, die BPjM habe „offensichtlich wesentliche Aspekte für die jugendgefährdende Wirkung nicht einbezogen“ (S. 9 des Urteils). Hierauf bezogen stellt das Gericht auf den so genannten „Rammstein“-affinen jugendlichen Hörer ab, dem sich „keine extensiven äußeren Gewalteindrücke aufdrängen“ dürften (S. 10 des Urteils ). Auch bei der weiterhin von der 22. Kammer vorgenommenen Abwägung zwischen Kunstfreiheit und Jugendschutz wird gerade auf diese Bewertung des Gerichts einer nicht oder bei „Rammstein“-affinen Jugendlichen eher geringfügigen Jugendgefährdung Bezug genommen, soweit im Urteil ausgeführt wird: „Bereits im Zusammenhang mit der generellen Frage der Eignung der beanstandeten Darstellungen zur Jugendgefährdung wurde ausgeführt, dass die BPS [Bundesprüfstelle] hier wesentliche Aspekte entweder nur unzureichend gewürdigt oder gar völlig unberücksichtigt gelassen hatte“ (S. 13 des Urteils).
Die 22. Kammer des Verwaltungsgerichts Köln hat im Urteil weiterhin beanstandet, „dass die Beklagte im Rahmen der tatbestandsmäßigen Prüfung der Jugendgefährdung i.S.v. § 18 Abs. 1 JuSchG den Kreis der Rezipienten des indizierten Mediums in keiner Weise näher bestimmt“ habe (S. 15 des Urteils).
Gegen das Urteil wurde die Zulassung der Berufung beantragt. Im Mittelpunkt eines etwaigen Berufungsverfahrens dürften im Wesentlichen folgende Fragen stehen:
- Ist bei der Beurteilung der Jugendgefährdung nach § 18 JuSchG auf den "Rammstein-affinen" abzustellen, also gleichsam den "gefährdungsgewöhnten". Bedeutet dies, dass auch künftig eine Jugendgefährdung unter Bezug auf den "Horrorfilm-affinen" oder den "Pornographie-affinen" Jugendlichen verneint werden darf? (Bisher wurde von der Rspr. und h.M. auf den "gefährdungsgeneigten" Jugendlichen abgestellt).
- Wie soll vor einer Indizierung eines Tonträgers mit einer Millionenauflage und bundesweiter Verbreitung sowie bei Verbreitung über das (Internet-)Radio von der Bundesprüfstelle der "Kreis der Rezipienten bestimmt" werden?