Systematische Fehleinschätzungen seit 30 Jahren? "Unsere" Sicherheitsbehörden und der rechte Terrorismus
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Seit Jahren werden Bürgerrechte und -freiheiten mit Warnungen vor linkem und islamistischen Terrorismus eingeschränkt und die Politik, sei sie sozial- oder christdemokratisch geführt, folgte auch regelmäßig den Warnungen der Sicherheitsbehörden. Zugleich wurde, wie jetzt offenbar wird, der Terrorismus von rechts seitens der Sicherheitsbehörden systematisch und in gefährlicher Weise unterschätzt und kleingeredet.
Schon der bis heute folgenschwerste Terroranschlag in Deutschland, der auf das Oktoberfest am 26.09.1980 (13 Tote, 211 Verletzte) wurde von Polizei und Politik zum Attentat eines verwirrten Einzeltäters umdefiniert, statt in die bestehenden Verbindungen zur rechtsextremen Szene zu ermitteln (SPON-Artikel)
Und heute kaum mehr fassbare Ermittlungsäußerungen wurden zu den Mordanschlägen auf Kleingewerbetreibende und auf Bewohner der Kölner Südstadt abgegeben. In der FASZ (S. 3) von heute heißt es zum Ermittlungsstand zu den Mordanschlägen im Jahr 2006:
"Es wurde über Schutzgelderpressung spekuliert, über Geldwäsche, Menschenhandel und über eine Verstrickung der türkischen Drogenmafia, Verbrechen unter ausländischen Verbrechern (...) einen rechtsradikalen Hintergrund schloss die Polizei zu diesem Zeitpunkt aus, eine entsprechende Gruppierung könnte kein politisches Kapital aus den Morden schlagen, außerdem begingen Überzeugungstäter zu viele Fehler, hieß es damals".
Wenn diese Darstellung zutrifft, beunruhigt sie zutiefst: Aus den Einschätzungen der Polizei spricht eine vorurteilsbehaftete Vorprägung in zwei Richtungen: Sind Ausländer Opfer, verdächtigt man primär andere Ausländer, und Täter mit rechter Gesinnung werden zugleich verharmlost: Sie könnten nicht Täter sein, weil sie im allgemeinen zu dumm seien.
Ganz anders und ziemlich schnell wurde in diesem Oktober angesichts von Brandanschlägen auf die Bahn vor einer neuen Terror"dimension" und "Eskalation" von links gewarnt:
Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) sprach als erster von "verbrecherischen terroristischen Ansätzen einer neuen Dimension". Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte, der Linksextremismus eskaliere zum Linksterrorismus. Der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt warnte: "Das ist beginnender Linksterrorismus, auch wenn dies aus der politischen Perspektive der Regierung noch nicht erkannt oder anders bewertet wird." (Quelle)
Die jetzt verspätete Aufklärung rechtsterroristischer Taten wird, so kann man nur hoffen, auch zur Beendigung der systematischen Unterschätzung rechter Terrorgefahr beitragen. Und auch peinliche sowie gefährliche Fahndungspannen der Verfassungsschutzbehörden in rechtsextremen Kreisen sollten abgestellt werden.