BAG zum Urlaubsrecht: Darauf muss man erstmal kommen!
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Das Urlaubsrecht ist immer für eine Überraschung gut. Mal gibt es erstaunliche Erkenntnisse aus Luxemburg (EuGH in Sachen Schultz-Hoff, NZA 2009, 135), ein anderes Mal versetzt das BAG die arbeitsrechtliche Praxis in Erstaunen. So geschehen im Urteil vom 17.5.2011 (9 AZR 189/10), das allerdings erst in Form einer Pressemitteilung (Nr. 37/11) vorliegt. Es ging um folgenden Fall: Der Kläger ist bei der Beklagten, einem Bankunternehmen, als Angestellter mit einem jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen beschäftigt. Mit Schreiben vom 13. November 2006 erklärte die Beklagte die Kündigung des Arbeitsverhältnisses mit Wirkung zum 31. März 2007. Gleichzeitig stellte sie den Kläger „ab sofort unter Anrechnung Ihrer Urlaubstage von Ihrer Arbeit unter Fortzahlung der Bezüge“ frei. In dem nachfolgenden Kündigungsschutzprozess entschied das Arbeitsgericht mit rechtskräftigem Urteil, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung der Beklagten nicht beendet worden. Der Kläger macht Resturlaub aus dem Jahr 2007 geltend. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte habe ihm während der Kündigungsfrist neben dem aus 2006 resultierenden Urlaub allenfalls 7,5 Tage Urlaub für das Jahr 2007 gewährt. Dies entspreche dem Teilurlaub, den er nach § 5 Abs. 1 Buchst. c BUrlG im Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2007 erworben habe. Das BAG gab dem Kläger recht. Die Freistellung des Arbeitnehmers zum Zwecke der Gewährung von Erholungsurlaub erfolge durch einseitige, empfangsbedürftige Willenserklärung des Arbeitgebers. Die Erklärung müsse für den Arbeitnehmer hinreichend deutlich erkennen lassen, in welchem Umfang der Arbeitgeber die Urlaubsansprüche des Arbeitnehmers erfüllen will. Zweifel gingen zu Lasten des Arbeitgebers. Denn als Erklärender habe er es in der Hand, den Umfang der Freistellung eindeutig festzulegen. Im Streitfall habe der Kläger der Freistellungserklärung der Beklagten nicht mit hinreichender Sicherheit entnehmen können, ob die Beklagte ua. den vollen Urlaubsanspruch für das Jahr 2007 oder lediglich den auf den Zeitraum vom 1. Januar bis zum 31. März 2007 entfallenden Teilurlaubsanspruch erfüllen wollte. Der klagende Arbeitnehmer kann mithin trotz der dreimonatigen Freistellung noch den noch nicht aufgebrauchten Resturlaub für das Jahr 2007 verlangen. Man wird bezweifeln dürfen, ob das eine interessengerechte Auslegung darstellt. Rechtlich zweifelhaft ist sicherlich auch der Rechtssatz, Zweifel bei der Auslegung arbeitgeberseitiger Erklärungen gingen zu seinen Lasten. Die Unklarheitenregel für AGB (§ 305c Abs. 2 BGB) lässt sich jedenfalls nicht ohne weiteres in den Rang einer allgemeinen Auslegungsmaxime erheben. Den Arbeitgebern ist künftig bei Freistellungserklärungen ein klarstellender Zusatz, etwa des Inhalts „unter Anrechnung des ungekürzten Jahresurlaubs für das Jahr XXXX“, zu empfehlen.