Angebot «Geld für Sex» erfüllt Straftatbestand der Beleidigung, aber nicht der aufgedrängte kurzzeitige Zungenkuss
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Fälle wie der jüngst vom OLG Oldenburg entschiedene beschäftigen die Praxis immer wieder: Der Angeklagte hatte einer ihm nur flüchtig bekannten 18-jährigen Frau Geld für die Vornahme sexueller Dienste angeboten. Das Landgericht Oldenburg verurteilte ihn wegen Beleidigung nach § 185 StGB zu einer Geldstrafe. Der Angeklagte habe mit seinem Angebot zum Ausdruck gebracht, die junge Frau sei käuflich wie eine Prostituierte. Dies sei ihm bewusst gewesen und er habe die damit geäußerte ehrverletzende Herabsetzung billigend in Kauf genommen. Die Revision des Angeklagten zum OLG hatte keinen Erfolg (Beschluss vom 06.01.2011 – 1 Ss 204/10, BeckRS 2011, 00925).
Dieser Sachverhalt ist anders gelagert als der am 15. 03. 2010 ebenfalls vom OLG Oldenburg (Az 1 Ss 23/10) entschiedene Fall, in dem ein Angeklagter eine Jugendliche gegen ihren Willen im Halsbereich geküsst hatte. Nach ständiger Rechtsprechung (jüngst auch OLG Brandenburg NStZ-RR 2010, 45) liegt in einer solchen sexuell gefärbten Zudringlichkeit allein keine Kundgabe einer Herabsetzung oder Geringschätzung der Person – und damit keine strafbare Beleidigung vor (ebenso für den aufgedrängten kurzzeitigen Zungenkuss OLG Brandenburg NStZ-RR 2010, 45).
Ob in Fällen sexualbezogener Handlungen der Tatbestand der Beleidigung vorliegen kann und gegebenenfalls unter welchen (zusätzlichen besonderen) Voraussetzungen, ist nicht so ganz einfach zu beantworten. Nach der Rechtsprechung ist das in § 185 StGB geschützte Rechtsgut der Ehre nicht mit dem Rechtsgut der sexuellen Selbstbestimmung teilidentisch, so dass § 185 StGB kein bloßer Auffangtatbestand für Handlungen bildet, die die sexuelle Selbstbestimmung tangieren, aber nicht strafbar sind.
Gleichwohl greift bei einem sexuellen Bezug nicht stets eine Art „Sperrwirkung” für die Anwendbarkeit des Beleidigungstatbestands ein. So gibt es Einschränkungen zu dem Grundsatz, dass § 185 StGB keine lückenfüllende Aufgabe im Bereich der so genannten Sexualbeleidigung zukommt. Sexuelle Verhaltensweisen können neben einer Schamverletzung auch beleidigenden Charakter haben. Dabei ist zu fragen ist, ob das Verhalten des Täters „wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls” über die sonst mit der sexuellen Handlung „regelmäßig verbundene Beeinträchtigung hinaus” einen Angriff auf die Ehre enthält
Drei Bereiche sind zu unterscheiden:
(1) Das Verhalten des Täter enthält bei sexuellen Handlungen an Jugendlichen, die den Tatbestand eines Sexualdelikts nicht erfüllen, wegen der besonderen Umstände des Einzelfalls über die sonst mit der sexuellen Handlung regelmäßig verbundene Beeinträchtigung hinaus einen Angriff auf die Geschlechtsehre des Tatopfers. Beispiel nach BGH NStZ 186, 453: Der 14-Jährigen fehlt das Verständnis für die Preisgabe der Geschlechtsehre; außergewöhnliche Praktiken, die über das Vorstellungsbild hinausgehen.
(2) Ein Angriff auf die sexuelle Selbstbestimmung erfüllt auch dann den Tatbestand der Beleidigung, wenn nach den gesamten Umständen in dem Verhalten des Täters zugleich eine herabsetzende Bewertung des Opfers liegt.
(3) Gegen den Willen der Jugendlichen vorgenommene sexualbezogene Handlungen, die mit dem regelmäßigen Erscheinungsbild eines Sexualdelikts nichts zu tun haben bzw. mit einem solchen nicht notwendig verbunden sind, verletzen dann deren sozialen Achtungsanspruch, wenn sie mit dem Erscheinungsbild eines Sexualdelikts nicht notwendig verbunden sind. Beispiel nach BGH NStZ 1988, 69: Der Täter legte seine Geldbörse auf den Gehweg, um Mädchen anzulocken , die er dann verdächtigte, ihm Geld entwendet zu haben. Ihr Bestreiten nahm er zum Anlaß, sie mit dem Vorwand, er wolle das entwendete Geld suchen, unter der Kleidung abzutasten.