Anwalt, ISO und der BGH
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Die Anwaltskanzlei arbeitet nach dem Qualitätsmanagementsystem EN ISO 9001:2008. In einem an die Angestellten ausgegebenen Handbuch heißt es:
Fristgebundene Schriftsätze an auswärtige Gerichte müssen unter Umständen per Fax vorab geschickt werden. Das jeweilige Sekretariat sollte sich den vollständigen Eingang des lesbaren Fax-Schreibens fernmündlich bestätigen lassen und darüber einen Vermerk anfertigen". …"Bei der Übermittlung fristwahrender Schriftsätze per Fax bietet der "o.k.-Vermerk" im Sendeprotokoll keine sichere Gewähr dafür, dass das Fax vollständig beim Empfänger angekommen ist. Deshalb sollte sich das Sekretariat durch telefonische Nachfrage beim Empfänger den rechtzeitigen und vollständigen Zugang bestätigen lassen.
Die Beschwerdebegründung hätte am 04.01. bei dem OLG eingehen müssen. Der Anwalt übergab den Schriftsatz nach 18.00 Uhr der Sekretärin mit dem Auftrag, ihn an das OLG zu faxen.
Die tat wie ihr geheißen und strich die Frist im Kalender. Wegen der Uhrzeit rief sie jedoch nicht beim OLG an, da sie damit rechnete, dass dort niemand mehr abnehmen werde. Ein Sendeprotokoll druckte sie nicht aus. Der Schriftsatz ging am 05.01. ein …
Wiedereinsetzung abgelehnt.
Die allgemeine Weisung, die Frist erst nach telefonischer Rückfrage bei dem Empfänger und Fertigung eines entsprechenden Vermerks zu streichen, genügt nicht den Anforderungen an eine wirksame Ausgangskontrolle. Diese Anweisung enthält für den Fall, dass der Schriftsatz, wie hier, am letzten Tag der Frist nach Dienstschluss dem Gericht übermittelt werden soll und eine telefonische Bestätigung durch den Empfänger nicht mehr erfolgen kann, keine ausreichenden Vorkehrungen zur Vermeidung einer Fristversäumung. Eine wirksame Ausgangskontrolle kann in diesem Fall nur durch den Ausdruck und die Überprüfung des Sendeprotokolls erfolgen
Entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde stellt sich auch nicht die grundsätzliche Frage, ob und inwieweit ein Rechtsanwalt, der seinen Bürobetrieb nach dem Qualitätsmanagementssystem DIN EN ISO 9001: 2008 organisiert hat, auf die Richtigkeit der Anweisungen vertrauen darf. Denn es liegt auf der Hand, dass ein Rechtsanwalt für die ordnungsgemäße Organisation seiner Kanzlei selbst verantwortlich ist.
BGH v 22.09.2010 -XII ZB 117/10 =
BeckRS 2010, 25717