Hartz IV führt nicht zu einer Erweiterung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Das Kind lebte zunächst bei der Mutter und wechselte nach einem vorübergehenden Heimaufenthalt zum Vater.
Die Mutter hat die Sonderschule ohne Abschluss verlassen, keine Berufsausbildung und war seit ihrem 20. Lebensjahr nicht mehr sozialversicherungspflichtig tätig. Derzeit arbeitet sie täglich 3 - 4 Stunden als Haushaltshilfe bei der behinderten Schwester ihres jetzigen Freundes und erhält hierfür monatlich 150 Euro. Ergänzend bezieht sie Leistungen nach dem SGB II.
Das Amtsgericht hat sie zur Zahlung des Mindestunterhalts verurteilt.
Auf die Beschwerde der Mutter hat das OLG den Beschluss aufgehoben und den Antrag abgewiesen.
Das OLG rechnet vor, dass die Mutter einen Stundenlohn von 11,10 € erzielen müsse, um den verlangten Unterhalt leisten zu können. Ein solches Einkommen sei für sie nach ihrer bisherigen Erwerbsbiographie nicht erreichbar. In vergleichbaren Fällen werde verbreitet nur ein Stundenlohn von 6 Euro bis maximal 7,50 € erzielt. Der Tariflohn läge im Reinigungsgewerbe zwar bei 8,55 €, dort würden aber überwiegend nur Teilzeitkräfte beschäftigt. Trotz unzureichender Erwerbsbemühungen sei die Antragsgegnerin daher leistungsunfähig. Da sie kein anrechenbares Nettoeinkommen von mehr als 800 Euro erreichen könne, komme eine weitere Herabsetzung ihres Selbstbehalts auch dann nicht in Betracht, wenn sie zusammen mit ihrem Freund lebe.
Die Frage, ob es der Mutter gemäß § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II möglich ist, titulierten Kindesunterhalt ohne Anrechnung des entsprechenden Einkommens auf die bezogenen Sozialleistungen hinzuzuverdienen, hat der Senat verneint.
Der Senat folgt der Auffassung, dass § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II nicht zu einer Ausweitung der unterhaltsrechtlichen Leistungsfähigkeit für den Fall zu titulierenden Unterhalts führt. Diese Vorschrift ist durch Art. 1 Nr. 9 des sog. Fortentwicklungsgesetzes vom 20.07.2006 eingeführt worden und soll nach der Gesetzesbegründung sicherstellen, dass nur für den eigenen Lebensunterhalt einsatzfähiges Einkommen bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit berücksichtigt wird. Zu dem einsatzfähigen - "bereiten" - Einkommen gehört danach nicht der für die Erfüllung gesetzlicher Unterhaltspflichten bis zu dem in einem Unterhaltstitel oder in einer notariell beurkundeten Unterhaltsvereinbarung festgelegte Betrag, und zwar "wegen der jederzeitigen Pfändbarkeit". Der Hinweis auf die jederzeit mögliche Pfändung zeigt, dass der Gesetzgeber von einem bereits vorhandenen und nicht einem erst noch zu schaffenden Unterhaltstitel ausging, weil nur unter dieser Voraussetzung eine Pfändung zu jeder Zeit möglich ist. § 11 Abs. 2 Satz 1 Nr. 7 SGB II hat allerdings nichts daran geändert, dass die Leistungsfähigkeit nach § 1603 BGB zu beurteilen ist, der die "gesetzliche Unterhaltsverpflichtung" für den Bereich des Verwandtenunterhalts begrenzt. Diese Grenzen werden durch eine sozialrechtliche Vorschrift über die Anrechnungsfreiheit bestimmter Einkommensbestandteile nicht erweitert. Andernfalls würde mittelbar eine zusätzliche Einstandspflicht des Leistungsträgers für Angehörige des Hilfebedürftigen begründet, obwohl diese Angehörigen nicht im Haushalt des Hilfebedürftigen leben und nicht zu dessen Bedarfsgemeinschaft im Sinne des § 7 Abs. 2 und 3 SGB II gehören. Nach Auffassung des Senats war eine derartige Folge mit der Gesetzesänderung nicht beabsichtigt.
OLG Düsseldorf v. 09.06.2010 - 8 UF 46/10