Private Videoaufzeichnung darf in einem Gewaltschutzverfahren verwertet werden
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Die Antragsteller sind die Eltern des M. B., der während bestimmter Zeiten seiner Drogenabhängigkeit Kontakte zum Antragsgegner pflegte. Die Antragsteller und auch deren Sohn, der jedenfalls zum Zeitpunkt der Antragstellung bei den Antragstellern wohnte, untersagten dem Antragsgegner jegliche Kontaktaufnahme.
Ferner haben die Antragsteller glaubhaft gemacht, dass der Antragsgegner sie jedenfalls ab März 2010 als dem Zeitpunkt, den das Familiengericht seinen tragenden Feststellungen zu Grunde gelegt hat, belästigt hat, indem er die Scheibenwischer am Fahrzeug der Antragsteller respektive der Antragstellerin zu 2. hochgeklappt hat. In Übereinstimmung mit dem Familiengericht hat der Senat keine Zweifel, dass es sich bei der auf den Video- und Bildaufzeichnungen erkennbaren Person um den Antragsgegner handelt. Unzweifelhaft ist der Antragsgegner auf den von den Antragstellern zu den Akten gereichten, auf einem digitalen Medium (USB-Stick) gespeicherten Bildern und Videoaufzeichnungen, so insbesondere auf den Aufzeichnungen vom 14. März 2010, zu erkennen, wie er sich an den Scheibenwischern eines Fahrzeugs zu schaffen macht. Dass es sich hierbei um das vor dem Hausanwesen der Antragsteller abgestellte Fahrzeug der Antragstellerin zu 2. handelt, wird von dem Antragsgegner nicht bestritten.
Der Antragsgegner vermag sich insoweit nicht mit Erfolg auf ein Beweisverwertungsverbot betreffend die von den Antragstellern gefertigten Bildnisse, auch nicht in Form von Videoaufzeichnungen, zu stützen. Grundsätzlich kann niemand allgemein Schutz davor verlangen, außerhalb seines befriedeten Besitztums, insbesondere auf öffentlichen Wegen, durch andere beobachtet zu werden. Andererseits muss der einzelne auch in diesem Bereich keineswegs generell dulden, dass jedermann von ihm Bildnisse, insbesondere Filmaufnahmen mittels einer Videokamera, fertigt. Die spezialgesetzliche, der Gewährleistung des Rechts am eigenen Bild dienende Regelung des § 22 KUG gewährt keinen Schutz gegen die Herstellung von Abbildungen, sondern nur gegen ihre unzulässige Verbreitung oder öffentliche Zurschaustellung. Indes kann die Herstellung eines Bildnisses ohne Einwilligung des Abgebildeten einen unzulässigen Eingriff in dessen nach § 823 Abs. 1 BGB geschütztes allgemeines Persönlichkeitsrecht bedeuten. Dabei wird das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Betroffenen nicht nur im Fall einer "Bildniserschleichung" verletzt, indem etwa Abbildungen einer Person in deren privatem Bereich gefertigt werden in der Absicht, sie der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Vielmehr kann auch die Herstellung von Bildnissen einer Person, insbesondere die Filmaufzeichnung mittels Videogerät, in der Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen und ohne Verbreitungsabsicht einen unzulässigen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen darstellen. Ob und in welchem Umfang bereits die Fertigung derartiger Bilder rechtswidrig und unzulässig ist oder aber vom Betroffenen hinzunehmen ist, kann nur unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls und durch Vornahme einer unter Berücksichtigung aller rechtlich, insbesondere auch verfassungsrechtlich geschützten Positionen der Beteiligten durchgeführten Güter- und Interessenabwägung ermittelt werden.
Nach Maßgabe dessen ist, entgegen der Auffassung der Beschwerde, das Familiengericht zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, dass die von den Antragstellern nach ihren Möglichkeiten durchgeführte Überwachung des Bereichs der Straße vor ihrem Hausanwesen, auf dem das Fahrzeug der Antragstellerin zu 2. in der Regel abgestellt wird, mittels Videoaufzeichnungen nicht zu einer den Antragsgegner in seinem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzenden Herstellung von Bildaufnahmen führt. Die Rechte des Antragsgegners treten insoweit in Konflikt mit dem berechtigten Interesse der Antragsteller an einem Schutz vor weiteren Belästigungen in Form des Nachstellens, in dem hier relevanten Zeitraum auch durch wiederholtes Hochklappen der Scheibenwischer am Fahrzeug der Antragstellerin zu 2., sowie ihrem anerkennenswerten Bestreben, den Verantwortlichen für diese Belästigungen ausfindig zu machen. Diese Belange sind bei der Prüfung der Rechtmäßigkeit des Vorgehens der Antragsteller gegeneinander abzuwägen. Der Senat tritt hierbei der Wertung des Familiengerichts bei, dass das Recht des Antragsgegners hinter den Rechten der Antragsteller, die seit geraumer Zeit durch Nachstellungen in ihren grundrechtlich geschützten Rechtspositionen, namentlich ihrem Persönlichkeitsrecht, beeinträchtigt werden und denen ein erhebliches berechtigtes Interesse an einer Beweissicherung, Klärung der Täterschaft und Überführung des Täters nicht abgesprochen werden kann, unter den obwaltenden Umständen zurückzutreten hat. In diesem Zusammenhang vermag der Senat dem Einwand des Antragsgegners, die Antragsteller zielten mit der Überwachung auf eine Identifizierung der von dem Antragsgegner bemühten – indes zu keinem Zeitpunkt benannten - Kontaktperson in der <Straße>, die er aufsuche, ab, nicht zu folgen. Auf eine solche Intention lassen weder, worauf der Antragsgegner insbesondere abhebt, der aus den Aufnahmen erkennbare Ausschnitt des Straßenabschnitts noch sonstige Umstände schließen.
Saarländisches OLG v. 27.10.2010 - 9 UF 73/10