Drei schwere Anwaltsfehler in nur einem Verfahren
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Der Beklagte (wir sind noch im alten Recht) hatte in 1. Instanz verloren, das Urteil war am 18.03.2009 zugestellt worden.
Am 20.04.2009 trudelte beim OLG ein Schriftsatz ein, mit dem Wiedereinsetzung und Prozesskostenhilfe begehrt wurde.
Dieser Schriftsatz enthielt die verhängnisvollen Sätze:
"zeige ich an, dass ich den Beklagten/Berufungskläger auch in dem beabsichtigten Berufungsverfahren vertrete. Abhängig von der Prozesskostenhilfebewilligung lege ich gegen das … Urteil … Berufung ein. Es werden bereits jetzt folgende Berufungsanträge angekündigt …
Die beabsichtigte Berufung wird wie folgt begründet:"
Am 11.08.09 bewilligte das OLG die PKH, der Beklagtenvertreter unternahm nichts.
Mit einem erst am 25. Januar 2010 beim Berufungsgericht eingegangenen Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten beantragte der Beklagte "fürsorglich" Wiedereinsetzung in die Wiedereinsetzungsfrist, bezogen auf die Frist für die Berufung und Berufungsbegründung.
Das OLG verwarf die Berufung als unzulässig und wies den Wiedereinsetzungsantrag zurück.
Zu Recht, sagt der BGH:
Eine an die Gewährung von Prozesskostenhilfe geknüpfte Berufungseinlegung ist grundsätzlich unzulässig (Bedingungsfeindlichkeit von Prozesshandlungen). Eine Umdeutung in eine unbedingte Berufung mit dem Vorbehalt der Rücknahme bei Verweigerung der PKH sei bei dem gewählten Wortlaut ausgeschlossen.
Und weiter:
Der Beklagte kann sich nicht darauf berufen, die Berufungs- und die Wiedereinsetzungsfrist deshalb unverschuldet versäumt zu haben, weil das Berufungsgericht ihn nicht auf die Unzulässigkeit seines Rechtsmittels hingewiesen habe. Da der Schriftsatz vom 20. April 2009 objektiv nur als bedingte und damit unzulässige Berufungseinlegung angesehen werden konnte, hatte das Oberlandesgericht nicht die Pflicht, den Beklagten vor Ablauf der Wiedereinsetzungsfrist auf die Unzulässigkeit seines Rechtsmittels hinzuweisen (Senatsbe-schluss vom 14. März 2007 - XII ZR 235/05 - FamRZ 2007, 895 Rn. 14). Vielmehr durfte es davon ausgehen, auch dem Prozessbevollmächtigten des Beklagten sei die Unzulässigkeit des Rechtsmittels bewusst, weshalb er nach Zustellung des Prozesskostenhilfebeschlusses vom 19. August 2009 innerhalb der Frist des § 234 Abs. 1 Satz 1 ZPO Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragen und die versäumte Prozesshandlung nachholen werde. In dem pflichtwidrigen Verkennen der gesetzlichen Berufungs- und Wiedereinsetzungsfristen liegt ein Verschulden des Prozessbevollmächtigten, das dem Beklagten nach § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
BGH v. 27.10.2010 - XII ZB 113/10 = BeckRS 2010, 28103
Man kann bei der Wahl seines Anwalts also nicht vorsichtig genug sein.