Folgen des Emmely-Urteils
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Zwar liegen erst seit gut einer Woche die Entscheidungsgründe des BAG in der Rechtssache "Emmely" (Urteil vom 10.6.2010 - 2 AZR 541/09) vor. Doch schon die Pressemitteilung des BAG scheint die Instanzgerichte ermuntert zu haben, von der einst strengen Linie abzugehen und nicht mehr jedes Bagatelldelikt als die außerordentliche Kündigung rechtfertigenden wichtigen Grund einzustufen. Zwei neue Fälle illustrieren diese Beobachtung (vgl. im übrigen den Blog-Beitrag vom 19.10.2010 betreffend ein Urteil des LAG Berlin-Brandenburg):
Vor dem Arbeitsgericht Bonn (Beschluss in einem Zustimmungsersetzungsverfahren vom 21.10.2010, Az.: 1 BV 47/10) ist eine Kündigung eines Betriebsratsvorsitzenden gescheitert, der drei Schrauben seines Arbeitgebers an einen früheren Kollegen verschenkt hatte. In der Verhandlung betonte die Kammer zwar ausdrücklich, dass auch ein Betrug über drei Schrauben im Wert von 28 Cent zulasten des Arbeitgebers einen wichtigen Grund für eine fristlose Kündigung darstellen könne. Aber es komme immer auf den konkreten Fall an. Neben der langen Betriebszugehörigkeit von mehr als 30 Jahren bewertete das Gericht positiv, dass der ertappte Betriebsratsvorsitzende nicht geleugnet, sondern sein Vorgehen sofort bedauert hatte. Nach Darstellung eines Sprechers des Gerichts folgte die Erste Kammer des Arbeitsgerichts Bonn mit dieser Entscheidung der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts.
Eine weitere - mit Augenmaß getroffene - Entscheidung stammt vom Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 2.9.2010 - 16 Sa 290/10). Der Kläger war kaufmännischer Angestellter und hatte sich im Mai 2009 für einige Tage einen Elektroroller (Segway) gemietet, den er auch zur Fahrt in den Betrieb nutzte. Dort schloss er den Roller im Vorraum zum Rechenzentrum an eine Steckdose an, um den Akku aufzuladen. Nachdem der Roller ca. 1 ½ Std. aufgeladen worden war, nahm der Kläger den Akku vom Stromnetz, nachdem er von einem Vorgesetzten dazu aufgefordert worden war. Der beklagte Arbeitgeber nahm diesen Vorfall zum Anlass für eine Kündigung. Auch hier ging die Interessenabwägung zulasten des Arbeitgebers aus. Berücksichtigt hat das Gericht dabei den geringen Schaden von 1,8 Cent, die 19 –jährige Beschäftigung des Klägers und nicht zuletzt den Umstand, dass im Betrieb Handys aufgeladen und elektronische Bilderrahmen betrieben wurden, die Arbeitgeberin aber nicht eingegriffen hätte. Daher hätte das verlorengegangene Vertrauen durch eine Abmahnung wieder hergestellt werden können.