Der Brief des Tischlers
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Sie arbeitet in einem Landesministerium (bereinigtes netto 2.151 €), er ist selbständiger Tischler (bereinigtes netto 1135).
In einer Zeit, als es in der langjährigen Ehe schon kriselte, die Eheleute aber noch nicht getrennt lebten, richtete er an die Vorgesetzte seiner Ehefrau im Ministerium ein Schreiben, in dem er um die Versetzung seiner Frau bat, weil diese (was der Wahrheit entsprach) eine außereheliche Beziehung mit einem ihrer Kollegen aufgenommen habe.
Anfang 2007 kam es zur Trennung innerhalb der ehelichen Wohnung.
Nachdem der (damalige) Partner der Antragstellerin bei dieser übernachtet hatte, durchtrennte der Antragsgegner am 11.4.2008 das Ehebett mit einer Stichsäge, heisst es im Tatbestand des Urteils, wobei im Dunkeln bleibt, warum das OLG diesen Umstand für erwähnenswert hält.
Mit Urteil vom 09.07.09 hat das AG die Ehe geschieden und seinen Antrag auf nachehelichen Unterhalt abgewiesen.
Seine Berufung hatte teilweise Erfolg. Das OLG Braunscheig verurteilte sie zur Zahlung eines nachehelichen Aufstockungsunterhalts von 435 €, befristet bis Dezember 2012.
Der Unterhaltsanspruch des Mannes sei insbesondere nicht gemäß § 1579 Nr. 5 BGB wegen des Briefes an die Vorgesetzte der Ehefrau verwirkt. Wörtlich heisst es:
Es ist schon zweifelhaft, ob die Vermögensinteressen der Antragstellerin berührt wurden. Denn eine Herabsetzung ihrer Bezüge dürfte aus den in dem genannten Schreiben angeführten Gründen nicht gerechtfertigt sein. Die Antragstellerin ist auch nur, wie sie bei ihrer Anhörung durch den Senat erklärt hat, von ihrer Vorgesetzten zu einem Gespräch gebeten worden, irgendeine nachteilige Folge ist nicht eingetreten. Jedenfalls entsprach die Behauptung einer außerehelichen Beziehung der Wahrheit, das Schreiben wurde, wie die Parteien dem Senat gegenüber übereinstimmend angegeben haben, im Frühjahr oder Sommers des Jahres 2006 verfasst und stammt damit aus einer Zeit, in der die Parteien noch nicht getrennt gelebt haben. Es stellt sich damit als Wahrnehmung berechtigter Interessen durch den Antragsgegner dar, der versucht hat, seine Ehe zu retten.
OLG Braunschweig v. 27.07.2010 - 10 UF 132/09