Arbeitsrechtler zum Fall Sarrazin
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Der Antrag der Bundesbank auf Entlassung ihres Vorstandsmitglieds Sarrazin, der jetzt dem Bundespräsidenten zur Entscheidung vorliegt, hat in den Medien und in der Öffentlichkeit ein gemischtes Echo hervorgerufen. Interessant ist in diesem Zusammenhang, wie namhafte Arbeitsrechtler über den Fall denken. Zwar wird man Herrn Sarrazin im Hinblick auf seine Position als Vorstandsmitglied der Deutschen Bundesbank nicht als Arbeitnehmer einstufen können. Gleichwohl gibt es hier einige Parallelen und einige bewährte Grundsätze des Arbeitsrechts, über deren Übertragung auf den Fall Sarrazin man schon nachdenken könnte. Dies haben jetzt auch einige Arbeitsrechtler getan. So kommt beispielsweise der Fachanwalt für Arbeitsrecht Christian Oberwetter unter Hinweis auf den hohen Rang der Meinungsfreiheit zu dem Ergebnis, dass nach rechtsstaatlichen Grundsätzen wenig Aussichten bestehen, Sarrazin seines Postens zu entheben. Ähnlich äußert sich Ulrich Fischer, ebenfalls Fachanwalt für Arbeitsrecht: Sarrazin bewege sich bislang "verfassungsrechtlich im grünen Bereich". Auch Volker Rieble, Professor für Arbeitsrecht an der Uni München, sagt, rechtlich könne man es nicht einmal als Rassismus bewerten, wenn Sarrazin Juden ein "bestimmtes Gen" attestiere. "Er hat damit ja keine bestimmte, negative Eigenschaft verbunden", sagt Rieble. Und so lange sich Sarrazin nicht strafrechtlich schuldig mache, könne er in seiner Freizeit machen, was er will. Auch das Argument, Sarrazin habe den Betriebsfrieden ernsthaft beeinträchtigt, lässt Rieble nicht gelten. In einer Fabrik könnte man schauen, wie gut die Fließbandarbeit noch funktioniert, wenn ein umstrittener Kollege Schicht hat. In der Bundesbank ist das schwieriger. Indiz für einen gestörten Betriebsfrieden wäre zum Beispiel, wenn nun Betriebsversammlungen zum Thema Sarrazin abgehalten würden, meint Rieble. Oder kritische Äußerungen von Arbeitnehmervertretern. Doch das Problem ist: Die Chefetage darf den Tumult um eine Person auf keinen Fall selbst provozieren. Weil sich Vorgesetzte "zunächst schützend vor den Arbeitnehmer" zu stellen haben, um den es geht, wie Rieble betont. Sollte also bislang der interne Aufruhr in der Bundesbank ausgeblieben sein, werde es schwierig.
Quellen: Spiegel Online vom 1.9.2010 und Legal Tribune Online vom 5.9.2010.