Ein Vater, der es werden und einer, der es bleiben wollte
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Mann (M) und Frau (F) sind verheiratet, leben aber seit Februar 2006 voneinander getrennt, eine Scheidung ist nicht beabsichtigt. M lebt zusammen mit seiner neuen Lebensgefährtin.
Am 8.10.06 gebar F einen Sohn L als dessen Vater – da M und F verheiratet sind – M gilt.
Im Jahr 2008 erhebt V, der sich für den Vater des Kindes hält, Vaterschafts-anfechtungsklage gegen M und L.
Eine solche Vaterschaftsanfechtung des potentiellen biologischen Vaters ist nach § 1600 II BGB nur möglich, wenn zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht.
Eine solche soz-fam. Bez. liegt vor, wenn der rechtliche Vater für das Kind tatsächliche Verantwortung trägt oder getragen hat. Eine Übernahme tatsächlicher Verantwortung liegt in der Regel vor, wenn der Vater mit der Mutter des Kindes verheiratet ist oder mit dem Kind längere Zeit in häuslicher Gemeinschaft zusammengelebt hat.
Das OLG Dresden hat in seinem Urteil vom 24. September 2009 - 21 UF 143/09 (BeckRS 2010 05729) festgestellt:
Der Beklagte zu1 (M) hat seit dem 3. Lebensmonat des Kindes und damit seit mehr als 2 1/2 Jahren regelmäßigen Kontakt mit ihm, nimmt Anteil an dessen Leben und ist in die alltäglichen Belange der Erziehung und Versorgung mit eingebunden. Auch wenn er freimütig einräumt, dass er mit der klassischen Grundversorgung eines Säuglings wie Windeln wechseln, Baden, An- und Ausziehen sowie dem Zubereiten des Essens weniger zu tun gehabt habe, so hat er das Kind aber gefüttert bzw. ihm sein Fläschchen gegeben und hat es im Kinderwagen mit spazieren geführt. Insofern hat er die bei vielen Vätern noch immer zu beobachtende typische Verhaltensweise an den Tag gelegt, die sich eher dem spielerischen als dem fürsorglichen Bereich der Kinderbetreuung zuwenden. Dies gilt auch für sein von der Mutter des Beklagten zu 2 geschildertes Verhalten, den Kinderwagen nicht selbst zu schieben, sondern dies der Mutter zu überlassen und nur mit einer Hand am Kinderwagen seine Zugehörigkeit zu dieser Familie zu zeigen. Der Beklagte zu 1 begleitet die Mutter mit dem Kind zum Kinderarzt, auch wenn ihm die Bezeichnungen für einzelne Vorsorgeuntersuchungen (U1 usw.) nicht geläufig waren, und konnte den Arzt namentlich benennen. An der Suche nach einem geeigneten Kindergartenplatz hat er sich beteiligt und seine Unterschrift für den Aufnahmeantrag, der nach der regional üblichen Verfahrensweise erst bei einem freien Platz gestellt werden kann, bereits fest zugesichert.
Der seit Januar/Februar 2007 bestehende regelmäßige Kontakt mit dem Kind findet mehrmals in der Woche sowohl im Haushalt der Mutter als auch im Haushalt des Beklagten zu 1 statt. Nach bürgerlichen Maßstäben leben die Mutter und der Beklagte zu 1 sowie dessen Lebensgefährtin mit dem Kind ein ungewöhnliches Lebensmodell. L. hat einerseits im Haushalt seiner 29-jährigen Mutter und deren weiterer siebenjährigen Tochter N. aus einer anderen Beziehung seinen festen Lebensmittelpunkt, verbringt aber seine Zeit regelmäßig - alle zwei Tage - auch im Haushalt seines rechtlichen Vaters, der 32 Jahre alt ist, und dessen wesentlich älterer Lebensgefährtin, die er „Oma“ nennt. Auch im Haushalt seines Vaters wird er zum Mittagsschlaf hingelegt, betreut und versorgt. Sowohl in seinem eigenen Haushalt als auch im Haushalt der Mutter beschäftigt sich der Beklagte zu 1 intensiv mit dem Kind, indem er u. a. Fußball spielt oder auch Federballübungen versucht. Solche offenbar seinen Neigungen entsprechende Unternehmungen oder auch einfach das „Rumtoben“ mit dem immer älter werdenden Jungen schilderte er, um seine Kontakte und die Art der Begegnung mit dem Kind näher zu beschreiben. Dabei wird der Beklagte zu 1 von allen Personen in diesem „Lebensmodell“ als „Papa“ des Kindes bezeichnet. Auch das Kind spricht ihn mit „Papa“ an. In der Gesamtschau sprechen diese Umstände für eine Bindung von rechtlichem Vater und Kind. Mit dem Beklagten zu 2 wird durch die ihn betreuenden Erwachsenen ein Lebensmodell praktiziert, dass nach deren glaubhaften Angaben auf einem Grundkonsens beruht. Das Modell wird seit mehr als 2 1/2 Jahren gelebt und stellt sich als eine mit den Regelannahmen für die Übernahme tatsächlicher Verantwortung gleichwertige Beziehung zwischen beiden Beklagten dar.
Die Berufung gegen das klagabweisende Urteil des AG Zwickau wurde abgewiesen.
Für die Revision hat der BGH die Bewilligung von PKH mit Beschluss vom 17.02.2010 – XII ZA 40/09 (BeckRS 2010, 05574) abgelehnt.