"Bestechliche" Ärzte - strafbar nach § 299 StGB?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Die Frage, ob Ärzte bei der Verschreibung von Pharmazeutika und anderen Behandlungen als "Beauftragte" der Krankenkassen handeln und sich deshalb ggf. nach § 299 StGB strafbar machen, wenn sie sich von den Profiteuren ihrer Verschreibungspraxis Vorteile versprechen oder gewähren lassen, war schon vor einiger Zeit hier im Blog Thema.
Nun wurde vergangene Woche via Ärztezeitung und dem Blog obiter dictum ein Beschluss des OLG Braunschweig vom 23. Februar bekannt (beck-online-link), in dem das OLG auf die von Fischer in seinem StGB-Kommentar vertretene Auffassung (dort § 299 Rz. 10a und 10 b) einschwenkt.
Im konkreten Fall geht es um einen Apotheker, der sich sein Interesse daran, dass sich in seiner Umgebung eine Arztpraxis ansiedelt, einiges kosten ließ. Er finanzierte den Ausbau einer Praxis mit fast 200.000 DM und gewährt dem Arzt auch noch 2000 Euro monatlichen Mietzuschuss. Die Staatsanwaltschaft vermutet, dass dies nicht ganz ohne Gegenleistung des Arztes geschieht. Der Tatverdacht geht dahin, der Arzt verschreibe teure Medikamente (Zytostatika), die dann seitens der Patienten aus der bestimmten Apotheke bezogen werden.
Das LG hat das Hauptverfahren nicht eröffnet. Der Arzt sei kein Beauftragter der Krankenkasse, weshalb § 299 StGB nicht erfüllt sei. Im Ergebnis hat das OLG Braunschweig die Beschwerde der StA gegen die Nichteröffnung verworfen (insofern fehlerhafte Darstellung in der Ärztezeitung), also den Tatverdacht ebenfalls als nicht hinreichend angesehen: Es sei nämlich nicht belegt, dass der Arzt tatsächlich auf die Patienten eingewirkt habe, die Medikamente gerade bei diesem Apotheker zu beziehen. Daher fehle es wohl an einer konkreten Unrechtsvereinbarung, die andere Wettbewerber benachteilige.
Allerdings wendet sich das OLG Braunschweig gegen die Begründung des LG. Der Arzt sei nämlich sehr wohl "Beauftragter" im Sinne des § 299 StGB.
Zitate aus dem Beschluss (hier bei beck-online):
"Ein bestimmtes Arzneimittel kann der Versicherte daher erst dann beanspruchen, wenn es ihm als ärztliche Behandlungsmaßnahme in Konkretisierung des gesetzlichen Rahmenrechts zum Vertragsarzt als einem mit öffentlichrechtlicher Rechtsmacht „beliehenen“ Verwaltungsträger verschrieben wird. Bei Verordnung einer Sachleistung gibt der Vertragsarzt mit Wirkung für und gegen die Krankenkasse die Willenserklärung zum Abschluss eines Kaufvertrages über die verordneten Medikamente ab; man kann ihn durchaus als „Schlüsselfigur der Arzneimittelversorgung“ bezeichnen. Dem Apotheker, dem das Kaufvertragsangebot der Krankenkasse mit Vorlage der Kassenärztlichen Verordnung durch die Versicherten angetragen wird, nimmt dieses an, indem er dem Versicherten das verordnete Arzneimittel aushändigt. Es handelt sich um einen zwischen der Krankenkasse und dem Apotheker - unter Einschaltung des Vertragsarztes als Vertreter der Krankenkasse - geschlossenen Vertrage zugunsten der Versicherten."
"Der Kassenvertragsarzt ist also aufgrund der ihm durch Gesetz zugewiesenen Aufgabe berechtigt und verpflichtet, für den Betrieb - hier die Krankenkassen - zu handeln. Durch die Art und Menge der von ihm verordneten Medikamente nimmt er damit erheblich auf die betrieblichen Entscheidungen Einfluss. Er ist verantwortlich und maßgebend dafür, ob zwischen der Krankenkasse und der Apotheke ein Vertrag über den Kauf von Medikamenten zustande kommt. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes handelt er insoweit als Vertreter der Krankenkassen und nimmt insoweit deren Vermögensinteressen wahr“ (BGH a. a. O.). Hat jemand die Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen und macht sich im Falle einer Verletzung dieser besonderen Vermögensbetreuungspflicht gemäß § 266 StGB strafbar, so handelt er auch als Beauftragter zumindest im Rahmen dieses Aufgabenfeldes."
Diese Auffassung hat damit eine (wohl erste) höchstrichtliche Bestätigung bekommen. In Fällen, in denen sich ein unmittelbarer Zusammenhang zwischen Vorteilsgewährung und Gegenleistung nachweisen lässt, wäre nach dieser Auffassung § 299 StGB auf Ärzte anwendbar. Nun wird man abwarten müssen, wie sich andere OLG und letztlich der BGH positionieren.
Ich hielte es allerdings für richtiger, diese für das Gesundheitssystem praktisch enorm wichtige Frage im Gesetz eindeutig zu regeln, etwa in einem § 299a StGB, der für jeden im Gesundheitssystem Tätigen eine eindeutige Verbots- und Strafregelung treffen könnte und damit auch Rechtssicherheit für Ärzte herstellen könnte.
Der Arzt als "Beauftragter der Krankenkassen", das scheint mir keine treffende Beschreibung zu sein.