LG Limburg: Richterliche mündliche Blutprobenanordnung nachts binnen einer Viertelstunde ist unseriös und wahrt Richtervorbehalt nur formal
Gespeichert von Carsten Krumm am
Über die Blutprobenentnahme habe ich im Blog bereits mehrfach berichtet. Das Thema ist aufgrund der fortschreitenden Entwicklung der Rechtsprechung immer für interessante Entscheidungen gut. Bei strafrecht-online habe ich nun LG Limburg, Beschl. v. 04.08.2009 - 2 Qs 30/09 gefunden. Es ging um eine vorläufige Fahrerlaubnisentziehung durch das AG. Das LG hat zum einen keine Probleme damit gehabt, dass das AG nachts keinen Eildienst hatte:
...Vielmehr ist ein nächtlicher Bereitschaftsdienst des Ermittlungsrichters von Verfassungs wegen erst dann gefordert, wenn hierfür ein praktischer Bedarf besteht, der über den Ausnahmefall hinausgeht. Diesen Anforderungen genügt der beim Amtsgericht L. eingerichtete Eil- und Not-dienst, denn ein Ermittlungsrichter war bis um 21.00 Uhr des Vortages, einem Samstag, und wieder ab 4.00 Uhr des Tattages, einem Sonntag, erreichbar. Dass der Direktor des Amtsgerichts für die Einrichtung eines Eildienstes zur Nachtzeit – anders als die Justiz der Großstadt Berlin (vgl. LG Berlin Beschl.v. 23.4.2008 – iuris) – keinen praktischen Bedarf sieht, ist nicht zu beanstanden....
Und dann noch zu der Möglichkeit einer mündlichen Anordnung der Blutprobe:
...Einer solchen Entwertung richterlicher Tätigkeit verbunden mit einem Vertrauensverlust die Seriosität richterlicher Arbeit betreffend ist entgegen zu treten. So hat auch das LG Hamburg (LG Hamburg, Beschl.v. 12.11.2007) eine Anordnung ohne schriftliche Entscheidungsgrundlage schlicht als „unzumutbar“ angesehen. Zu Recht verweisen die Richter des Amtsgerichts L. darauf, dass bei einem mündlichen Sachvortrag die tatsächliche Entscheidungsgrundlage nicht nachvollzogen werden kann. Das gesprochene Wort ist flüchtig und birgt zudem die Gefahr, dass gerade in Grenzfällen, in denen sich die richterliche Kontrolle zu bewähren hat, entscheidungserhebliche Details nicht in gebotener Sorgfalt dargestellt und abgewogen werden können. Zudem verschieben sich Verantwortlichkeiten. Mit der von den Ermittlungsbehörden zu fordernden schriftlichen Dokumentation eines vorläufigen Ermittlungsergebnisses geht ein höheres Maß an Verantwortung einher als dies in einem mündlichen Vortrag der Fall ist. Dies gilt insbesondere, wenn im Anfangsstadium von Ermittlungen richterliche Entscheidungen beantragt werden. Bei schriftlicher Unterbreitung der Ermittlungsergebnisse ist auch ausgeschlossen, dass Ermittlungsrichter und Polizeibeamter sich unterschiedlich an Details der Entscheidungsgrundlage erinnern. Schon die Gefahr derartiger Missverständnisse ist angesichts des Gewichts der Entscheidung zu vermeiden, schwächen solche Missverständnisse auch das Vertrauen in die Zuverlässigkeit richterlicher Entscheidungen. Mit guten Gründen fordern daher die Amtsrichter in L., dass die richterliche Entscheidungsgrundlage – auch für den Beschuldigten – nachvollziehbar ist.
Eine Verpflichtung zur mündlichen Entscheidung besteht nicht. Im Übrigen ist eine Entscheidung auf der Grundlage eines schriftlich unterbreiteten Sachverhalts, einer Akte, auch sachgerecht. Die Durchsetzung der vorbeugenden Kontrolle und die Gewährung effektiven Rechtsschutzes gebieten eine solche Verfahrensweise, soll der Richtervorbehalt seine Funktion einer verstärkten Sicherung der Grundrechte genügen. Anzunehmen, es könne „im Idealfall binnen einer Viertelstunde“ (so etwa OLG Stuttgart NStZ 2008, 238, Zopfs NJW 2009, 244) eine mündliche richterliche Anordnung eingeholt werden, wahrt den Richtervorbehalt nur formal. ....