"Verkehrsrecht" mal anders: Helmpflicht auf der Skipiste
Gespeichert von Carsten Krumm am
Blogleser "Mein Name" hat mir die Überschrift und das Thema gemailt. Bekanntlich schützen Skihelme erheblich vor schweren Unfallfolgen. Die Lage ist damit ähnlich wie bei Fahrradhelmen. Trotzdem tragen immer noch viele Skifahrer keine Helme. Es stellt sich daher dann, wenn es zu einem Unfall gekommen ist die Frage: Wie ist das Nichttragen zu bewerten? Mitverschulden? Es gibt zu dem Thema hier eine Seite der Rechtsanwälte Dr. Klüver pp., auf der relevante Entscheidungen rund um den Skiunfall eingestellt sind. Lesenswert!
Zu der Thematik gibt es dann noch zwei interessante Entscheidungen des OLG München - beide im selben Verfahren ergangen. Das OLG München hat Mitverschulden bejaht:
zunächst ein Hinweisbeschluss:
OLG München: Beschluss vom 25.11.2011 - 8 U 3652/11
Leitsätze:1. Wird ein auf der Ski-Piste in einer Gruppe - ohne Verstoß gegen die FIS-Regeln - anhaltender Skifahrer an gut einsehbarer Stelle durch einen mit hoher Geschwindigkeit fahrenden, an einer Bodenwelle stürzenden Skifahrer umgefahren und zieht sich hierbei Verletzungen am Kopf zu, die durch das Tragen eines Skihelms vermeidbar gewesen wären, dann ist insoweit eine Mitverschuldensquote von 50 % anzunehmen. (amtlicher Leitsatz)
2. Anders als beim Fahrradfahren, das eine Person z.B. auch zur Arbeit, zum Einkaufen o-ä. bringen kann, handelt es sich beim Skifahren stets um eine sportliche Betätigung. (amtlicher Leitsatz)
3. Die Begriffe "besondere sportliche Ambition, (nicht) das Erzielen hoher Geschwindigkeiten im Vordergrund" sind unscharf und kaum verifizierbar. (amtlicher Leitsatz)
4. Abgesehen davon sind die beim Skifahren erzielten Geschwindigkeiten - auch bei Anfängern - höher als die von Fahrradfahrern durchschnittlich erreichten Geschwindigkeiten. (amtlicher Leitsatz)
5. Dass i. S. des § 254 BGB zwischenzeitlich eine Obliegenheit zum Tragen von Helmen entstanden ist, ergibt sich insbesondere auch daraus, dass sich nach Wahrnehmung des Senats auf Pisten sowohl die Anzahl der Skifahrer wie - auf Grund veränderten Skimaterials und auf Grund baulicher Veränderungen an den Pisten - auch die dort gefahrenen Geschwindigkeiten erhöht haben. Dem entspricht auch die Beobachtung, dass auf Pisten zwischenzeitlich - und auch schon 2009 - die Mehrzahl der Skifahrer mit Helmen unterwegs ist. (amtlicher Leitsatz)
...und dann dieses Urteil:
OLG MÜNCHEN
Az.: 8 U 3652/11
IM NAMEN DES VOLKES
Endurteil
22.03.2012
10 O 3954/10 LG München II
I.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München II vom
28.07.2011 wie folgt abgeändert:1) Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 383,41 € zu bezahlen.
2) Es wird festgestellt, dass Ansprüche der beiden Drittwiderbeklagten gegen den Widerkläger aus dem streitigen Unfall vom 08.03.2009, soweit es um Kopfverletzungen geht, zu 50% nicht bestehen.
II.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen und bleibt die Drittwiderklage abgewiesen und wird die Berufung zurückgewiesen.
III.
Von den Gerichtskosten tragen der Kläger 5%, die Drittwiderbeklagte zu 1) 20%, der Drittwiderbeklagte zu 2) 7% und der Beklagte 68%.
Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers trägt der Beklagte 50%.
Von den außergerichtlichen Kosten der beiden Drittwiderbeklagten trägt der Beklagte jeweils 70%.
Von den außergerichtlichen Kosten des Beklagten trägt der Kläger 5%, die Drittwiderbeklagte zu 1) 20% und der Drittwiderbeklagte zu 2) 7%.
Im Übrigen tragen die Parteien ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
gem. § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO
I.Auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils und die in der Berufungsinstanz gewechselten Schriftsätze wird verwiesen.
II.
In rechtlicher Hinsicht wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 25.11.2011 verwiesen. Die heutige Anhörung der Parteien hat die dort geäußerte Einschätzung des Senats in vollem Umfang bestätigt. Auch haben die auf den Hinweisbeschluss hin eingereichten Schriftsätze keine neuen Gesichtspunkte aufgeworfen. Damit stand für den Senat fest, dass grundsätzlich der Unfall von dem Beklagten schuldhaft verursacht wurde, dass er doch hinsichtlich der Schadenshöhe (nicht hinsichtlich des Schadensgrundes) sich die Drittwiderbeklagten ein Mitverschulden gem. § 254 BGB deswegen anrechnen lassen müssen, weil sie keinen Skihelm getragen haben.
Zur Höhe der Klageforderung hat der Senat den Anteil an den streitgegenständlichen Rechnungsbeträgen, welcher auf erlittenen Kopfverletzungen beruht - und damit alleine dem Vorwurf des Mitverschuldens wegen des Unterlassens des Tragens eines Helmes ausgesetzt ist - auf der Grundlage dieser Rechnungen gem. § 287 ZPO geschätzt.