Fremdbetreuung für ein Kleinkind besser als Betreuung durch ein Elternteil ?
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Der Sohn der nicht miteinander verheirateten Parteien wurde im November 2007 geboren und lebte bislang bei der Mutter.
Mit Wiederaufnahme einer Erwerbstätigkeit durch die Mutter wurde das Kind zunächst durch Tagesmütter betreut. Zum Entscheidungszeitpunkt befand es sich in der Eingewöhnungsphase einer Kinderkrippe.
Der Vater strebt ein Wechselmodell an und trägt vor, als Freiberufler habe er sein Büro in der eigenen Wohnung untergebracht, auswärtige Termine könne er sich frei einteilen. Deshalb könne er - im Gegensatz zur Mutter - das Kind persönlich betreuen.
In der die Beschwerde des Vaters zurückweisenden Entscheidung führt das OLG Brandenburg unter anderem aus:
-
Entgegen der Auffassung des Antragstellers kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Fremdbetreuung eines Kindes von etwa eineinhalb Jahren während der Ausübung der Berufstätigkeit der Eltern dem Kindeswohl abträglich ist. Der Antragsteller räumt selbst ein, dass es zu dieser Frage in der Fachliteratur unterschiedliche Auffassungen gibt. Der Gesetzgeber geht demgegenüber davon aus, dass eine Betreuung auch kleiner Kinder durch eine Tagesmutter oder in einer Kinderkrippe mit dem Kindeswohl durchaus in Einklang steht. Hat der Gesetzgeber zunächst einen Kindergartenplatz ab Vollendung des dritten Lebensjahres des Kindes garantiert (vgl. § 24 SGB VIII in der seit dem 1.1.1996 geltenden Fassung, aber auch das Gesetz zum qualitätsorientierten und bedarfsgerechten Ausbau der Tagesbetreuung für Kinder - Tagesbetreuungsausbaugesetz - TAG - vom 27. 12. 2004, BGBl. I S. 3852), so ist er nun im Interesse einer besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Familie bestrebt, das Angebot an Betreuungsplätzen für Kinder unter drei Jahren im gesamten Bundesgebiet deutlich auszuweiten (siehe das Gesetz zur Förderung von Kindern unter drei Jahren in Tageseinrichtungen und in Kindertagespflege vom 10.12.2008 - Kinderförderungsgesetz - KiföG, BGBl. I, S. 2403).
Anhaltspunkte dafür, dass gerade S. eine Fremdbetreuung nicht verkraften könnte, sind nicht gegeben. Die Verfahrenspflegerin hat S. als ausgeglichen und fröhlich beschrieben. Darauf deutet auch die ungezwungene Kontaktaufnahme des Kindes zu beiden Elternteilen während der Besuche der Verfahrenspflegerin hin. Soweit der Vater von Verlustängsten des Kindes spricht, lässt sich jedenfalls nicht feststellen, dass allein infolge der von der Mutter beabsichtigten Fremdbetreuung das Kindeswohl gefährdet wäre. Weil kleine Kinder regelmäßig starke Bindungen an ihre Eltern haben, ist der Versuch, eine weitere Bezugsperson in die Betreuung einzubinden, stets mit gewissen Anlaufschwierigkeiten verbunden. Gerade deshalb sehen Kindertagesstätten, aber auch Tagesmütter zu Beginn eines Betreuungsverhältnisses eine Eingewöhnungsphase vor
Der Umstand, dass S., seit die Mutter ihre Erwerbstätigkeit wieder aufgenommen hat, mit verschiedenen Betreuungspersonen in Kontakt getreten ist, und insoweit stabile Verhältnisse noch nicht eingetreten sind, begründet ebenfalls keinen Vorrang des Vaters. Unabhängig von der zwischen den Eltern streitigen Frage, wie sich die Gespräche des Vaters mit den beiden Tagesmüttern S. und Lü. gestaltet haben, lässt sich jedenfalls feststellen, dass die Mutter für die Ablehnung der Tagesmütter, S. weiter zu betreuen, keine Verantwortung trägt.
OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.03.2009 (10 UF 204/08)