Wo sollen amerikanische Folter-Verantwortliche vor Gericht gestellt werden? In Spanien? In Deutschland? Oder in den USA?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Der spanische Untersuchungsrichter Garzon, der mit seiner Verfolgung des chilenischen Diktators Pinochet im Jahr 1998 bekannt wurde, hat vergangene Woche aufgrund einer Klage gegen Ex-US-Justizminister Gonzalez und fünf Rechtsberater der Bush-Regierung ein Strafverfahren eingeleitet. (zum Inhalt der Vorwürfe, siehe hier)
Die Verfolgungsmaßnahme hat in konservativen Kreisen der USA, insbesondere auch unter Juristen, Empörung ausgelöst. Man hält es schlicht für rechtlich unhaltbar, dass die spanische Justiz sich anmaßt, Verantwortliche fremder Regierungen wegen Menschenrechtsverletzungen zu verfolgen. Spanien habe mit dieser Sache nichts zu tun und wenn die Weltgemeinschaft eine Anklageerhebung zulasse, könne man in Zukunft den diplomatischen Verkehr nicht mehr vernünftig gestalten.
In einem Artikel des weekly standard führen die Rechtswissenschaftler Rabkin und Loyola aus, es handele sich um eine neue spanische Inquisition. Unter anderem führen sie an, das spanische Rechtssystem und die Juristenausbildung dort seien im Vergleich mit dem amerikanischen von zweifelhafter Qualität. Heulen da getroffene Hunde? Oder hat die Argumentation etwas für sich?
Zwei Aspekte werden allerdings in diesen empörten Stellungnahmen meist nicht berücksichtigt:
Erstens kann sich Spanien auf fünf spanische Staatsbürger bzw. Residenten beziehen, die in Guantanamo gefangen gehalten wurden und behaupten, dort gefoltert worden zu sein - ein Vorwurf, der angesichts der bekannt gewordenen Tatsachen nicht ganz unglaubhaft ist. Insofern würde sich Spanien also nicht in rein amerikanische Affären einmischen.
Zweitens hat die us-amerikanische Justiz selbst jüngst unter Berufung auf das Weltrechtsprinzip einen Diktator nämlich Charles Taylor, den früheren Diktator von Liberia angeklagt, und zu 97 Jahren Freiheitsstrafe verurteilt. Auch dessen Sohn soll der Prozess gemacht werden.
Allerdings wirft das Vorgehen des spanischen Richters noch einmal ein Schlaglicht auf Bemühungen der neuen US-Administration, diejenigen, die Entführungen und (mindestens in einem Fall tödliche) Folter anordneten, vor Gericht zu bringen. Wir erinnern uns, dass auch die hiesige Bundesanwaltschaft eine Strafanzeige gegen Rumsfeld u.a. mit dem Hinweis auf die vorrangige Aufklärung durch die US-Justiz zurückwies. Denn es wäre natürlich am besten, wenn eine gerichtliche Aufklärung in den USA erfolgte.
Gibt es solche Bemühungen? Ein neuer Bericht in Newsweek lässt aufhorchen:
Danach wird im Weißen Haus derzeit darum gestritten, ob weitere Memoranden zur Folter durch den CIA, die 2005 entstanden sein sollen (also weit nach der Aufdeckung des Abu Ghraib Skandals) zur Veröffentlichung freigegeben werden sollen. Justizminister Eric Holder ist dafür, aber er bekommt derzeit starken Gegenwind. Offenbar sind diese Memoranden so „heiß", dass der CIA mit aller Kraft die Veröffentlichung verhindern will. Wenn die Obama-Administration sich schon mit dieser Freigabe nicht durchsetzen können sollte, um wie viel unwahrscheinlicher ist dann ein Strafverfahren gegen die ehemaligen Regierungsmitglieder?
[Schließlich ein bisschen Eigenreklame. in der jüngst erschienenen Festschrift für Ulrich Eisenberg, habe ich mich mit den kriminologischen Aspekten der Staatsführungskriminalität am Beispiel der Folterungen und Misshandlungen in Abu Ghraib und Guantanamo befasst.]