Keine Hoffnung für betrunkene Fahrzeugführer: BVerfG sieht keinen Verfassungsverstoß bei Blutprobenentnahme nach Anordnung der Polizei
Gespeichert von Carsten Krumm am
Das BVerfG hat sich mit Beschluss vom 28.07.2008 - 2 BvR 784/08 erneut mit dem Thema "Anordnung einer Blutprobenentnahme durch Polizei" befasst. Es hat keinen Verfassungsverstoß in einer Verwertung durch das Gericht gesehen - es hat die Vrfassungsbeschwerde somit schon nicht zur Entscheidung angenommen.
Zur Erinnerung: Es geht um Blutprobenentnahmen, die durch Polizei und Staatsanwaltschaft angeordnet werden, bei denen aber i.d.R. keine Gefahr in Verzug gegeben ist, so dass gem. § 81a StPO der Richter hätte anordnen müssen. Bislang alle veröffentlichten OLG-Entscheidungen haben ein Beweisverwertungsverbot bejaht. Nur einzelne untergeordnete Gerichte hatten sich dem widersetzt. Spätestens nach der BVerfG-Entscheidung dürfte das Thema zunächst ausgestanden sein.
Aus der Entscheidung (gekürzt):
Die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften hat und ob hierzu insbesondere ein Beweisverwertungsverbot zählt, obliegt in erster Linie den zuständigen Fachgerichten. Insofern gehen die Strafgerichte in gefestigter, willkürfreier und vom Beschwerdeführer auch als solcher nicht angegriffener Rechtsprechung davon aus, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß gegen Beweiserhebungsvorschriften ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich zieht, fremd ist, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden ist. Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwer wiegenden Fehlers können danach ein Verwertungsverbot nach sich ziehen. Amtsgericht und Oberlandesgericht haben das Verhalten der Ermittlungsbehörden an diesem Maßstab überprüft und sind somit ihrer Verpflichtung aus Art. 19 Abs. 4 GG nachgekommen.... Die Gefährdung des Untersuchungserfolgs muss mit Tatsachen begründet werden, die auf den Einzelfall bezogen und in den Ermittlungsakten zu dokumentieren sind, sofern die Dringlichkeit nicht evident ist Entsprechend ist es in Fällen fehlender Evidenz dem zur Überprüfung berufenen Gericht verwehrt, die fehlende Dokumentation durch Verwendung einer ihm erst nachträglich zugänglich gemachten Stellungnahme der Ermittlungsbehörden gleichsam zu ersetzen; dies würde nämlich eine Nachbesserung der von ihm gerade zu kontrollierenden hoheitlichen Akte darstellen, welche die präventive Funktion des Richtervorbehalts leer laufen ließe. Diese Einschränkung der Prüfungskompetenz hat das Bundesverfassungsgericht bislang allerdings nur für die unmittelbare Nachprüfung der Rechtmäßigkeit des Handelns der Ermittlungsbehörden gefordert, die etwa auf nachträglichen Antrag des Beschuldigten auf gerichtliche Entscheidung entsprechend § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO, gegebenenfalls auch im Beschwerderechtszug, erfolgt. Sie lässt sich nicht auf die durch das erkennende Gericht vorzunehmende Prüfung der Voraussetzungen eines Beweisverwertungsverbotes übertragen. Wenn die strafgerichtliche Rechtsprechung davon ausgeht, dass fehlende Dokumentation allein nicht zu einem Verwertungsverbot führt, ist das deswegen nicht zu beanstanden, zumal diese Rechtsprechung die Möglichkeit offen lässt, den Dokumentationsmangel entsprechend seinem Gewicht im Einzelfall als Gesichtspunkt in der vorzunehmenden Abwägung zu berücksichtigen. Auch im vorliegenden Fall war die Annahme eines Beweisverwertungsverbotes daher unter dem Gesichtspunkt der Rechtsschutzgarantie nicht geboten.
Ob der in der Blutentnahme liegende Eingriff in die körperliche Unversehrtheit des Beschwerdeführers als solcher Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG verletzt, ist vorliegend nicht zu prüfen, da Gegenstand der Verfassungsbeschwerde nicht die Anordnung der Blutentnahme, sondern die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers ist.
Zu der Problematik in beckonline: