Beschlagnahme des Filmes "Hostel II - Extended Version"
Gespeichert von Prof. Dr. Marc Liesching am
Durch Beschluss des AG München vom 10.06.2008 (Az. 465 Js 306253/08) ist der Spielfilm "Hostel 2 - Extended Version" in einer 91-minütigen Fassung wegen Verstoßes gegen das strafrechtliche Gewaltdarstellungsverbot nach § 131 StGB beschlagnahmt worden. Die Strafnorm untersagt vor allem das Verbreiten und Zugänglichmachen von "Schriften, die grausame oder sonst unmenschliche Gewalttätigkeiten gegen Menschen oder menschenähnliche Wesen in einer Art schildern, die eine Verherrlichung oder Verharmlosung solcher Gewalttätigkeiten ausdrückt oder die das Grausame oder Unmenschliche des Vorgangs in einer die Menschenwürde verletzenden Weise darstellt".
Zuvor war die Juristenkommission der SPIO zu dem gegenteiligen Schluss gekommen, dass der Film den Straftatbestand des § 131 StGB in der 91-minütigen Fassung (nach Vornahme eines Schnittes) nicht erfülle. Vor diesem Hintergrund durfte man gespannt sein auf die Begründung des Beschlusses des AG München. Allerdings verzichtet diese weitgehend auf eine genaue Subsumtion der Tatbestandsvoraussetzungen des Gewaltdarstellungsverbotes zugunsten allgemeinerer Erwägungen wie die der "Aneinanderreihung lang ausgespielter, sadistischer Handlungsweisen", wobei exemplarisch auf zwei besonders drastische Szenen eines Foltermordes und einer Kastration verwiesen wird. Insbesondere zu der zweitgenannten Szene wird eine "Glorifizierung der Selbstjustiz" angenommen, welche im Weiteren mit einer tatbestandsmäßigen "Verherrlichung und Verharmlosung" von "Gewaltausübung" gleichgesetzt wird. Zudem wird darauf abgestellt, dass "Verletzungen und Wunden in Großaufnahme gezeigt werden" und die "Gewaltszenen mit durchdringenden Schmerzens- und Hilfeschreien untermalt werden".
Gerade vor dem Hintergrund der in jüngster Zeit auch im Schrifttum erkennbaren Tendenzen einer von den Tatbestandsmerkmalen des § 131 StGB weitgehend gelösten exzessiven Auslegung des § 131 StGB möchte ich darauf hinweisen, dass trotz der Unbestimmtheit der Tatbestandsmerkmale des § 131 StGB hier ebenso wie allgemein im Strafrecht eine genaue Subsumtion aus verfassungsrechtlichen Gründen (Art. 5 GG und Art. 103 Abs. 2 GG) unerlässlich ist. Vor allem die Benennung brutaler Szenen oder die Missbilligung der Glorifizierung von Selbstjustiz genügen nicht für die Annahme des kriminalstrafrechtlichen Absolutverbotes. Dies gilt umso mehr deshalb, weil der Gesetzgeber unterhalb der Schwelle des § 131 StGB nachgerade eine ganze Armada jugendschutzrechtlicher Restriktionen von der FSK-Freigabekennzeichnung über die Indizierung bis hin zu den Jugendschutzverboten des § 15 Abs. 2 JuSchG bei schwer jugendgefährdenden Inhalten bereithält.
Dass Filme wie "Hostel 2" in nur geringfügig kürzeren Fassungen eine Kennzeichnung nach § 14 Abs. 2 Nr. 5 JuSchG ("Keine Jugendfreigabe") erhalten haben und für die hier beschlagnahmte Fassung gar eine strafrechtliche Unbedenklichkeit durch die Juristenkommission der SPIO attestiert worden ist, schließt freilich eine Beschlagnahme wegen § 131 StGB nicht per se aus. Meines Erachtens bedarf es in derartigen Fällen aber schon eines gewissen Begründungsaufwands und in allen Fällen einer umfassenden Subsumtion aller Tatbestandsvoraussetzungen des Gewaltdarstellungsverbotes. Dies gilt selbstverständlich auch dann, wenn zuvor eine Indizierung durch die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien in den Listenteil B vorgenommen worden ist, weil das Prüfgremium von einer Tatbestandsmäßigkeit des § 131 StGB ausgegangen war.