NS-Ermittler warnen vor erneuter Justizpleite im Fall Demjanjuk
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Mehr als 15 Jahre nach dem spektakulären Freispruch von Iwan "John" Demjanjuk im Treblinka-Prozess in Israel warnen NS-Ermittler vor einer erneuten Justizpleite. Seit drei Monaten liegen 17 Leitzordner bei der Münchner Staatsanwaltschaft - gefüllt mit Dokumenten, Gutachten und Zeugenaussagen zu dem gebürtigen Ukrainer.
Die Staatsanwaltschaft München, bei der der Fall seit der Übergabe des Vorermittlungsverfahrens angesiedelt ist, verlangt jedoch noch weitere Unterlagen, um anklagen zu können. Dagegen reicht nach Auffassung des Leiters der NS-Fahndungsstelle in Ludwigsburg Kurt Schrimm wie auch von Eli Rosenbaum, Chef der US-Sonderermittlungsbehörde für NS-Verbrechen (OSI), das bereits vorliegende Material aus, um den in den USA lebenden, aber ausgebürgerten 88 Jahre alten Demjanjuk der Beihilfe zum grausamen Mord an 29.000 Juden im Vernichtungslager Sobibor/Polen im Jahr 1943 überführen zu können. Jede weitere zeitliche Verzögerung birgt nach Schrimm die Gefahr, dass der Prozess mit Blick auf das Alter des Beschuldigten scheitert. Für Rosenbaum hat der Fall Demjanjuk zur größten Niederlage des US-Sonderdezernats geführt: Demjanjuk wurde an Israel ausgeliefert und dort 1993 in einem zweiten Verfahren freigesprochen. Daraufhin kehrte er in die USA zurück. Rosenbaum trieb weitere Unterlagen auf, die dazu führten, dass dem Ukrainer 2008 die US-Staatsbürgerschaft aberkannt wurde.
Indes beharrt die Münchner Justiz auf einer gründlichen Aufarbeitung des Falls - sie hat kein Interesse am Scheitern eines eventuellen Prozesses. Bevor ein Haftbefehl beantragt werden und ein Auslieferungsersuchen folgen könne, müsse "sauber gearbeitet" werden, betont ein Sprecher der Staatsanwaltschaft.
Das Bayerische Landeskriminalamt überprüft derzeit Demjanjuks SS-Dienstausweis, obwohl die NS-Fahndungsstelle in Ludwigsburg auf drei neue Gutachten verweist, die zweifelsfrei die Echtheit des Dokuments beweisen sollen.
Der heute in Ohio/USA lebende Demjanjuk ist nach den Angaben seines Anwalts nicht vernehmungsfähig.