Was man von Jurastudenten so als Umfrage bekommt
Gespeichert von Prof. Dr. Thomas Hoeren am
Heute morgen bekamen alle fachlich ausgewiesenen Datenschutzprofessoren der Bundesrepublik folgende Mail eines Jurastudenten. Mail und Anhang machen deutlich, wie sich die Mentalität des juristischen Nachwuchses bei der Literaturrecherche geändert hat.
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bin Student der Rechtswissenschaften aus XXX und verfasse gerade eine Seminararbeit mit dem Thema Grundrecht auf Gewährung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme. Dies bzgl. habe ich eine kleine Umfrage vorbereitet. Ich wäre ihnen sehr dankbar, wenn Sie ein klein wenig Zeit opfern könnten, um die an diese Mail angehängten Fragen zu beantworten.
Im Voraus vielen Dank
Der Anhang
Fragebogen bzgl des neuen IT-Grundrechts (BVerfGE vom 27.02.2008)
1. Bedarf es für eine lückenfüllende Gewährleistung des Persönlichkeitsschutzes, um die neuartigen Gefährdungen für die Persönlichkeit durch den technischen Fortschritt und den Wandel der Lebensverhältnisse zu bewältigen, der Erfindung eines neuen Grundrechts auf Gewährleistung der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme?
a. Wenn ja: Wieso erfassen aus ihrer Sicht die Schutzbereiche der Art. 13 und 10 GG und die Ausformung des allgemeinen Persönlichkeitsrecht (Art. 2 I und 1 I GG) in Form des Rechts auf informationelle Selbstbestimmung nicht auch den Bereich des IT-Grundrechts?
b. Wenn nein: Welche bzw. welches Grundrecht entfaltet seinen Schutz bereits auf die Gefährdung der Persönlichkeit durch einen „heimlichen“ Zugriff auf informationstechnische Systeme und warum (skizzieren sie kurz die entscheidenden Elemente)?
2. Wie würden Sie den Grundrechtsinhalt definieren?
- Was sind informationstechnische Systeme (reicht die sporadische Aufzählung des BVerfG aus oder bedarf es einer genauen Begriffsbestimmung)?
- Das Internet insgesamt (Abs. 4);
- Rechnernetzwerke (Abs. 4);
- Personalcomputer (Abs. 172);
- Telekommunikationsgeräte (Abs. 173), z. B. Mobiltelefone (Abs. 203);
- elektronische Geräte in Wohnungen (Abs. 173) bzw. „Steuerungsanlagen der Haustechnik“ (Abs. 202)
- elektronische Geräte in Kraftfahrzeugen (Abs. 173);
- elektronische Terminkalender (Abs. 203).
- Ist der Zugriffsbegriff ausreichend definiert(s. Abs. 201 und 205)?
- Ist es erforderlich das der Zugriff heimlich erfolgt?
- Wann ist aus ihrer Sicht eine Gefährdung der Persönlichkeit anzunehmen?
- Sind der Eingriff und die Schranken durch das BVerfG aus ihrer Sicht richtig definiert wurden?
- Sind aus ihrer Sicht die besonderen Anforderungen, die das BVerfG an die Verhältnissmäßigkeitsprüfung gestellt hat, notwendig und erforderlich?
- Die Verhältnismäßigkeit ist besonders streng zu prüfen, wenn
- Daten erhoben werden, die Rückschlüsse auf das Kommunikationsverhalten zulassen, da dadurch die Möglichkeit der Bürger zur „unbeobachteten Fernkommunikation“ beschränkt werde; diese Möglichkeit liege auch „im Allgemeinwohl“ (Abs. 233);
- die Überwachung länger andauert (Abs. 234ff);
- der Eingriff heimlich erfolgt (Abs. 238);
- andere Rechtsgüter des Betroffenen oder Dritter, z.B. die Integrität des Rechners, gefährdet sind (Abs. 239ff).
- Ist ein heimlicher Zugriff nach diesen Maßstäben nur dann zulässig, „wenn bestimmte Tatsachen auf eine im Einzelfall drohende Gefahr für ein überragend wichtiges Rechtsgut hinweisen“ (Abs. 242)? Ab wann wäre für Sie ein Zugriffgerechtfertigt?
3. Wie beurteilen Sie den Richtervorbehalt?
- Unterscheidet sich dieser von dem Richtervorbehalt für Wohnungsdurchsuchung?
- Wie genau sollte ein Richter prüfen?
- Welche Begutachtungspflichten sollten vorhanden sein?
4. Wie muss die Exekutive und die Judikative reagieren, um die Vorgaben des VerfG erfüllen zu können?
Müssen die Justizorgane neues Personal berufen?
5. Wie kann gewährleistet werden, dass die Vorgaben für den Kernbereichsschutz nicht in der Zukunft vereinfacht werden?