BGH nicht auf dem neuesten Stand - oder: alle schauen auf Darmstadt
Gespeichert von Dr. Klaus Lützenkirchen am
Ein Anwaltskollege hatte im Berufungsverfahren vor dem Landgericht Darmstadt einen Vermieter zu vertreten, der Betriebskostennachforderungen geltend machte. In erster Instanz hatte der Vermieter sich selbst vertreten und obsiegt. In der zweiten Instanz hatte das Landgericht Darmstadt mit der ihm eigenen herrschenden Meinung (vgl. z.B. LG Darmstadt v. 19. 19. 1. 2005 - 7 S 148/04, NZM 2005, 453) festgestellt, dass eine stillschweigende Änderung der Umlagevereinbarung nicht in Betracht komme.
Nun nahm der Vermieter den Kollegen in Regress mit der Begründung, er habe in dem Berufungsverfahren auf den Beschluss des BGH v. 29.5.2000 (XII ZR 35/00, NJW-RR 2000, 1463) hinweisen müssen, um die falsche Entscheidung des Landgerichts zu vermeiden. Darin bestärkt ihn der BGH, weil der mit der Prozessführung betraute Rechtsanwalt seinem Mandanten gegenüber verpflichtet sei, dafür einzutreten, dass die zugunsten des Mandanten sprechenden tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte so umfassend wie möglich ermittelt und bei der Entscheidung des Gerichts berücksicht werden; dazu gehöre insbesondere der Hinweis auf einschlägige Urteile (BGH v. 18.12.2008 - IX ZR 179/07, BeckRS 2009 04357 = WuM 2009, 134).
Bei der Feststellung der Kausalität verweist der IX. Senat auf eine "mittlerweile gefestigte Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs", wonach "die Umlegung einzelner sonstiger Betriebskosten auch aufgrund jahrelanger Zahlung durch stillschweigende Vereinbarung erfolgen" könne und verweist dabei zusätzlich auf die Entscheidung vom 7.4.2004 (VIII ZR 146/03, NJW-RR 2004, 877). Zwar sei das Gericht eigenständig zur Prüfung der Sach- und Rechtslage verpflichtet und habe daher bei eigener sorgfältiger Prüfung die einschlägige Entscheidung des BGH finden und sich mit ihr auseinander setzen müssen. Der Schadensbeitrag des Gerichts überwiege den des Anwalts aber nicht so weit, dass letzterer ganz dahinter zurücktrete.
Zum Glück wurde die Sache zur erneueten Verhandlung zurückverwiesen. Denn "mittlerweile" hat der VIII. Senat die angeblich gefestigte Rechtsprechung, insbesondere seine eigene Entscheidung v. 7.4.2004 zumindest "relativiert" (vgl. BGH v. 10.10.2007 - VIII ZR 279/06, NZM 2008, 81). Nach dieser Entscheidung wird eigentlich allgemein davon ausgegangen, dass es zur Annahme der stillschweigenden Änderung einer Umlagevereinbarung heute der Feststellung besonderer Umstände bedarf.
Allerdings müsste sich diese Rechtsentwicklung zugunsten des Kollegen wenigstens bis Darmstadt herumsprechen. Daran bestehen Zweifel, nachdem dort 2005 noch Entscheidungen von 1982 und Sternel in der 3. Auflage von 1988 die herrschende Meinung bildeten. Da die Veränderungen auch am Ort ihrer Entstehung nicht bemerkt wurden, müsste sich jemand finden, der nachhilft.