EuGH zur Urheberechtsverletzung durch Verlinkung
Gespeichert von Fabian Reinholz am
Der EuGH hat heute entschieden, dass Verlinkungen zu urheberrechtlich geschützten Inhalten keine Urheberrechtsverletzung darstellen, wenn der Urheber die Inhalte auf der Website, zu der verlinkt wird, für jedermann zum freien Abruf bereithält. In diesem Fall soll es sogar keine Rolle spielen, ob der Nutzer die Verlinkung erkennen kann oder ob die Inhalte so in die Ausgangsseite eingebettet sind, dass der Nutzer nicht bemerkt, dass sie sich auf einer anderen Seite befinden.
Ausgangspunkt für die Entscheidung des EuGH ist eine Vorlage eines schwedischen Gerichts. Vor diesem Gericht hatten Journalisten der Zeitung Göteborgs-Posten gegen eine Firma Retriever Sverige geklagt. Anlass der Klage: Die Firma Retriever Sverige betreibt eine Internetseite, auf der die Besucher von den Klägern verfasste Presseartikel abrufen konnten. Der Abruf erfolgte durch Verlinkung zu den Presseartikeln, die auf der Internetseite der Göteborgs-Posten frei abrufbar sind. Nach Ansicht der Kläger sei es für die Besucher der Seite von Retriever Sverige nicht klar erkennbar, dass sie auf eine andere Seite weitergeleitet wurde, um zu den Artikeln zu gelangen.
Das Schwedische Gericht fragte sich nun, ob die Verlinkung eine urheberrechtlich relevante Handlung im Sinne von Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 (sog. Infosoc-Richtlinie) ist und legte dem EuGH u. a. folgende Fragen vor:
1. Liegt eine öffentliche Wiedergabe eines bestimmten Werkes vor, wenn ein anderer als der Inhaber des Urheberrechts an diesem Werk auf seiner Internetseite einen anklickbaren Link zu diesem Werk bereitstellt?
2. Ist es für die Beurteilung der ersten Frage von Bedeutung, ob das Werk, auf das der Link hinweist, auf einer jedermann ohne Beschränkungen zugänglichen Internetseite zu finden ist oder ob der Zugang in irgendeiner Weise beschränkt ist?
3. Ist bei der Beurteilung der ersten Frage zwischen dem Fall, in dem das Werk nach dem Anklicken des Links durch den Nutzer auf einer anderen Internetseite erscheint, und dem Fall zu unterscheiden, in dem das Werk nach dem Anklicken durch den Nutzer in einer Art und Weise erscheint, die den Eindruck vermittelt, dass es auf derselben Internetseite erscheint?
Der EuGH meint zu diesen Fragen:
Ja, die Verlinkung zu einem im Internet befindlichen Werk stellt eine Wiedergabe des Werkes dar. Allerdings sei die Wiedergabe nicht öffentlich wenn sie sich nicht an ein neues Publikum richtet. An ein neues Publikum richtet sich die Wiedergabe dann nicht, wenn sie nach dem Willen des Urhebers einen Personenkreis erreicht, der auch ohne weiteres Zugang zu den Werken auf der Internetseite hat, auf der sich die verlinkten Werke befinden. Da die Presseartikel auf der Internetseite der Göteborgs-Posten frei abrufbar sind, richten sich die Artikel an denselben Kreis von Personen, der über die Links zu den Inhalten gelangt. Folglich wird kein neues Publikum erreicht und die Verlinkung ist urheberrechtlich erlaubt. Anders sei dies nur dann, wenn die Internetseite mit den Presseartikeln nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich wäre, u. B. weil Zugangsbeschränkungen bestehen.
Daher sei es irrelevant, ob die Artikel so verlinkt sind, dass sie wie ein eigenes Angebot auf der Internetseite von Retriever Sverige erscheinen oder der Besucher dieser Seite bemerkt, dass sich die Presseartikel auf einer anderen Internetseite befinden.
4. Darf ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz des Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers vorsehen, indem er zulässt, dass die öffentliche Wiedergabe Handlungen umfasst, die über die Bestimmungen des Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 2001/29 hinausgehen?
Diese Frage verneint der EuGH.
Die EuGH betrachtet die öffentliche Wiedergabe durch Verlinkung weit weniger differenziert als der BGH, der nach normalen Links, deep Links und embedded Content unterscheidet. Die Art der Verlinkung auf die geschützten Inhalte spielt für den EuGH aber keine Rolle. Der Zugang zum Werk durch Verlinkung genügt für eine Wiedergabe.
Der EuGH macht es sich damit sehr einfach. Die Einbettung von auf Youtube abrufbaren Videos (zB im Wege des Framing) in fremde Internetseiten wäre danach keine öffentliche Wiedergabe und damit stets urheberechtskonform, da kein neues Publikum erreicht wird. Dies, obwohl die Videos wie eigener Content des Linksetzenden erscheinen.
Zwar liegt dem EuGH noch eine weitere ähnlich gelagerte Vorlagefrage des BGH (v. 16.05.2013 - I ZR 46/12 – Die Realität) vor. Dieser möchte nämlich vom EuGH wissen, ob die Einbettung von auf Youtube abrufbaren Videos in eine andere Internetseite ausnahmsweise eine Form der öffentlichen Wiedergabe darstellt, obwohl damit keinem neuen Publikum Zugang zu den Videos verschafft wird. Mit seiner heutigen Entscheidung dürfte der EuGH aber die Beantwortung der Vorlagefrage vorweggenommen haben, zumal er die Vorlagefrage 4 „Darf ein Mitgliedstaat einen weiter gehenden Schutz des Ausschließlichkeitsrechts des Urhebers vorsehen“ verneint hat.