Besetzung einer befristeten Stelle

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 22.04.2024
Rechtsgebiete: Bürgerliches RechtArbeitsrecht|800 Aufrufe

1. Die Entscheidung eines öffentlichen Arbeitgebers, nur Bewerber in die Auswahl für eine befristet zu besetzende Stelle einzubeziehen, bei denen nicht die naheliegende Möglichkeit besteht, dass eine weitere Sachgundbefristung des Arbeitsverhältnisses die Voraussetzungen eines institutionellen Rechtsmissbrauchs erfüllt, ist Teil der dem Auswahlverfahren nach Art. 33 Abs. 2 GG vorgelagerten Organisationsentscheidung.

2. Bei einer Sachgrundbefristung ist der öffentliche Arbeitgeber nicht verpflichtet, sein Organisationsermessen in Bezug auf die in die Auswahl einzubeziehenden Bewerber in einer Weise auszuüben, die ihn dem Vorwurf des institutionellen Rechtsmissbrauchs aussetzt.

Das hat das BAG entschieden.

Der schwerbehinderte Kläger ist aufgrund einer Vielzahl aufeinander folgender befristeter Verträge seit 2010 am Universitätsklinikum der Beklagten beschäftigt. Über die Wirksamkeit der letzten (insgesamt achten) Befristung in der Kette streiten die Parteien in einem anderen Verfahren. Nunmehr hat die Beklagte die Stelle eines technischen Assistenten am Institut für Pathologie an der Universität für interne und externe Bewerber erneut für zwei Jahre (mit Verlängerungsoption) befristet ausgeschrieben. Den Kläger hat sie in dem Verfahren nicht berücksichtigt, weil sie begründete Zweifel hatte, mit ihm angesichts des Verbots rechtsmissbräuchlicher Kettenverträge (vgl. BAG 26.10.2016 - 7 AZR 135/15, NZA 2017, 382) einen weiteren befristeten Vertrag wirksam abschließen zu können. Diese Entscheidung war rechtmäßig:

Letztlich müssen öffentliche Arbeitgeber im Fall einer Sachgrundbefristung kein zusätzliches Risiko eingehen, das über die nach § 14 Abs. 1 TzBfG typische Unsicherheit hinausgeht, ob sich der Sachgrund im Rahmen einer Befristungskontrollklage als gegeben erweist. Bei einer Sachgrundbefristung ist der öffentliche Arbeitgeber nicht verpflichtet, sein Organisationsermessen in einer Weise auszuüben, die ihn dem Vorwurf des institutionellen Rechtsmissbrauchs aussetzt. Der Personenkreis, bei dem die naheliegende Möglichkeit des Rechtsmissbrauchs besteht, ist nach der Gesamtdauer der befristeten Arbeitsverträge bzw. der Anzahl der Verlängerungen nach der Rechtsprechung des Siebten Senats des Bundesarbeitsgerichts eindeutig abgrenzbar (vgl. BAG 23. Mai 2018 – 7 AZR 16/17 – Rn. 31; 26. Oktober 2016 – 7 AZR 135/15 – Rn. 26, BAGE 157, 125). Wären öffentliche Arbeitgeber verpflichtet, Bewerber aus diesem Kreis in die Auswahl für eine befristete Stelle einzubeziehen, müssten sie sich dem klar erkennbaren Risiko aussetzen, institutionell rechtsmissbräuchlich zu handeln, mit der Folge, dass die eigentlich wirksame Sachgrundbefristung unwirksam wäre.

BAG, Urt. vom 29.2.2024 - 8 AZR 187/23, BeckRS 2024, 7779

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