Herrchen ohne Bindungstoleranz

von Hans-Otto Burschel, veröffentlicht am 09.05.2014
Rechtsgebiete: Familienrecht15|9717 Aufrufe

Die Eheleute (sie BWL-Studentin im 6. Semester, er arbeitslos) hatten sich zur Zeit des Zusammenlebens eine Malteser Hündin namens Babsi angeschafft (Kaufpreis ca. 450 €).

Anlässlich der Trennung im November 2012  nahm er Babsi an sich und verweigerte seiner Frau seit dem jeden Umgang mit dem Hund.

Sie beantragt Zuweisung und Herausgabe des Hundes an sich. Ein vom FamG vorgeschlagenes Wechselmodell hat der Ehemann abgelehnt.

Ihr Begehren war in 2 Instanzen erfolgreich.
Da keiner der Eheleute sein Alleineigentum nachweisen konnte, gelten die beiden gemäß 1568 b II BGB als Miteigentümer Babsis.

Demgemäß war eine Zuweisung aufgrund einer Billigkeitsentscheidung vorzunehmen (1361 a II BGB). Gegen den Ehemann sprach dabei entscheidend seine bislang gezeigte fehlende Bindungstoleranz

OLG Stuttgart v. 07.04.14 – 18 UF 62/14

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15 Kommentare

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@ RA Splender

 

Eine wenig konkrete und daher pauschalisierende Aussage.

 

Der Hund kann wie kein anderes Lebewesen (Affen eingeschlossen) die menschliche Mimik und Gestik "verstehen" und sich darauf einstellen. Ein Hund schenkt Ihnen bedingungslose Zuneigung. Dass es daher Menschen gibt, denen ihr Hund sehr wichtig ist, ist wenig verwunderlich.

 

Dass manch ein Hund es vermeintlich "besser" hat, als manch ein Kind, hat nichts mit auf den Kopf gestellten Wertmaßstäben zu tun. Bedauerlich ist daher nicht, dass sich ein Hundebesitzer liebevoll um sein Tier kümmert. Bedauerlich ist, dass es immer wieder Eltern gibt, die sich nicht liebevoll um ihre Kinder kümmern.

 

Und ich gehe noch einen Schritt weiter: Wer Vergleiche zwischen dem Wohlergehen von Hunden und dem von Kindern zieht, braucht sich nicht über Wertvorstellungen anderer wundern, er beteiligt sich selbst aktiv am Auf-den-Kopf-stellen von Wertvorstellungen.

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Tim Konstanz schrieb:
.... Und ich gehe noch einen Schritt weiter: Wer Vergleiche zwischen dem Wohlergehen von Hunden und dem von Kindern zieht, braucht sich nicht über Wertvorstellungen anderer wundern, er beteiligt sich selbst aktiv am Auf-den-Kopf-stellen von Wertvorstellungen.

 

Das Aufzeigen eines Problems stellt sicher noch nicht Werte, oder, wie Sie schreiben, "Wertvorstellungen", auf den Kopf. Ich habe, sicher etwas zugespitzt, darauf hingewiesen, dass manchen Hunden mehr Zuwendung zuteil wird, als manchen Kindern. Wenn Sie der Ansicht sind, dass ich damit nicht recht hätte, bin ich auf Ihre Argumente und Belege gespannt. Davon zu unterscheiden ist die Frage, was die Ursache dafür ist. Und da bin ich der Ansicht, dass es schon etwas mit der Verschiebung von Werten zu tun hat, wenn Hunde quasi als Kinderersatz gehalten werden. Hunde und auch andere Tiere haben in Deutschland eine sehr aktive Lobby, Kinder nicht.

 

Wenn Sie denn Umstand, dass ich dieses Problem benenne, mit dem Problem selbst gleichsetzen, erscheint mir das recht unsachlich.

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@RA Splendor:
Einmal schreiben Sie, Wertvorstellungen seien verschoben, ein andermal, sie seien auf den Kopf gestellt. Zu ersterem würde ich noch zustimmen, der qualitativen Einordnung des letzteren hingegen nicht.
Auch eine Kritik verschobener Wertvorstellungen hätte ihre Berechtigung, wenn jemand bspw. mit begrenzten Mitteln den eigenen Hund umsorgt während er das eigene Kind vernachlässigt. Die Ansicht, dass jemand, der mit einem Hund mehr anfangen kann als mit einem Kind, damit einem relativ "minderwertigen" Lebensmodell folgt, finde ich nicht überzeugend.

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Es sei darauf hingewiesen, dass das bundesweite amtliche Anwaltsverzeichnis (rechtsanwaltsregister.com) einen Rechtsanwalt Splendor nicht kennt.

Hopper schrieb:

Es sei darauf hingewiesen, dass das bundesweite amtliche Anwaltsverzeichnis (rechtsanwaltsregister.com) einen Rechtsanwalt Splendor nicht kennt.

 

Vielen Dank, Herr Burschel, für den Hinweis. Deswegen ist es ja auch ein Pseudonym. Meine Zulassung ist hingegen seit zwei Jahrzehnten völlig real.

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@ RA Splendor

 

Sie zeigen kein "Problem" auf. Sie ziehen einen unzulässigen Vergleich und stellen damit Werte auf den Kopf:

 

Ich denke, dass ein einwandfreies Verhalten des Herrchens gegenüber seinem Hund doch eher zu begrüßen als abzulehnen ist. Der Respekt vor dem eigenen Hund bringt gewisse allgemeingültige und akzeptierte Wertvorstellungen zum Ausdruck. Ich unterstelle, dass wir bis hierhin einer Meinung sind.

 

Wenn Sie aber den Vergleich ziehen, dass es so manchem Hund in Deutschland besser ginge als vielen Kindern, so impliziert das, dass wir ein ethisch einwandfreies Verhalten (dem Hund gegenüber) zunächst hinten anstellen oder in Frage stellen sollten, um ein anderes Verhalten - dass mit dem ersten in keinem Zusammenhang steht - den Vorzug zu geben. Weiter gedacht bedeutet das, dass wir zunächst ein einwandfreies Verhalten gegenüber unseren Hunden unterlassen sollten, bis es jedem Kind in Deutschland auf eine nicht näher bezeichnete Weise ergeht, es aber jedem Kind besser ergeht, als jedem Hund. Noch weiter gedacht: Es wir keinem Kind besser gehen - und das ist sicherlich ihr Anliegen - wenn wir nun anfangen, unsere Hunde zu vernachlässigen. Als Beispiel: Darf nun die alte Dame ihren Hund nicht mehr liebevoll umsorgen, weil ihr Nachbar sein Kind schlägt? Ich will wohl meinen, dass es darum doch überhaupt nicht geht.

 

Und unsachlich ist schon der Begriff "Kindersatz" für die Haltung eines Hundes bei Menschen, die keine Kinder haben. Soll dass heißen, in solchen Fällen ersetzt der Hund ein Kind? Und wenn es keine Hunde gäbe, hätten diese Menschen dann ihrer Ansicht nach ein Kind? Woher nimmt man diese Annahme? Sie Sie wahlweise der Ansicht, ein Hund könnte ein Kind ersetzen oder aber, dass es Menschen gibt, die dies glauben?

 

Demnach: Zeigen Sie ganz klar auf, wo, wann und wie ein Kind nicht kindgerecht behandelt wird. Wenn Sie aber notwendige Zuwendung gegenüber Kindern mit der Zuwendung von Hunden vergleichen, dann können Sie auch die Zuwendung einiger ihren Autos, Yachten, Pferden oder Briefmarken gegenüber heranziehen und machen den inhaltlich zu definierenden Begriff der Zuwendung gegenüber Kinder beliebig. Und damit, sehr geehrter Herr Splendor, stellen Sie Werte auf den Kopf und nicht die, die ihren Hund zufällig mehr Zuneigung entgegen bringen, als andere gegenüber ihren Kindern.

 

 

 

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Der Sachverhalt erinnert mich nach Inhalt und Darstellung stark an Sachverhalte, wie man sie in juristischen Klausuren präsentiert bekommt. Da soll noch mal einer sagen, die seien unrealistisch. Aus Sachverhalt und Gründen:

"Die Antragstellerin studiert BWL, mittlerweile im 6. Semester und ist dafür maximal zwei Tage für ihre Vorlesungen außer Haus. Der Antragsgegner ist arbeitslos und ist daher während der Zeit des ehelichen Zusammenlebens häufiger mit Babsi Gassi gegangen.

In der zweiten mündlichen Verhandlung am 21.1.2014 offenbarte der Antragsgegner, dass Babsi nach der ersten mündlichen Verhandlung ungewollt vom Chihuahua vom Vater des Antragsgegners trächtig geworden sei und am 14.2.2014 Welpen in noch unbekannter Anzahl empfangen werde. Nach der angefochtenen Entscheidung kam es jedoch zu einer Kaiserschnittentbindung von Babsi am 18.2.1014, wobei der einzig geborene Welpe verstarb.

[...]

Demgegenüber wird die Billigkeitsprüfung dominiert von der Tatsache, dass der Antragstellerin der Antragstellerin den gemeinsamen Hund seit rund 1 1/2 Jahren vorenthalten hat und sie offensichtlich trotz Miteigentums über wesentliche, den Hund betreffende Dinge, wie die Schwangerschaft und deren Folgen nur über das Gerichtsverfahren informiert wird.

[...]

Keine Zweifel bestehen daran, dass beide Eheleute durchaus geeignet sind, die Betreuung einer Malteserhündin zu übernehmen, der Antragsgegner aufgrund seiner bereits frühkindlichen Sozialisation mit Hunden und die Antragstellerin aufgrund entsprechender Literaturrecherche und Weiterbildung."

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Es ist nicht nur so, dass es den Hunden in diesem Land besser geht als vielen Kindern, darüber hinaus verzichten manche Hundebesitzer ganz auf eigene Kinder.

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Nur eine kleine Korrektur (Rdnr. 10):

"Mit der angefochtenen Entscheidung hat das Familiengericht die Malteserhündin der Antragstellerin zugewiesen und die Herausgabe derselben angeordnet."

Das Begehren der Antragstellerin war also schon in der 1. Instanz erfolgreich.

Die Beschwerde des Antragsgegners hatte keinen Erfolg.

Diese Entscheidung ist eine groteske Satire zur gerichtlichen Kindeswohlprüfung. Wäre sie nicht ergangen, dann müsste man sie erst erfinden, um das klägliche Versagen der Wächterfunktion des Staates zu demonstrieren.

Bindungstoleranz ist ein Aspekt des Kindeswohls. Fehlt sie dem betreuenden Elternteil und bleibt sie im Eilverfahren unberücksichtigt, dann sind endlose Umgangs- und Sorgerechtsstreitigkeiten so gut wie vorprogrammiert - bis den Eltern das Geld ausgeht. Das Kind fällt damit quasi in den Brunnen. Im Hauptsacheverfahren lässt sich dieser Fehler in der Regel nur schwer korrigieren. 

Anders als bei Babsi beeinflusst die fehlende Bindungstoleranz des betreuenden Elternteils den Kindeswillen erheblich - ob gewollt oder ungewollt. Und gegen den Kindeswillen wird kaum eine Gerichtsentscheidung getroffen. Massive Manipulation des Kindeswillens als Folge der fehlenden Bindungstoleranz bis zur unbegründeter bzw. kaum nachvollziehbarer Ablehnung des anderen Elternteils durch das Kind wird in der familiengerichtlichen Praxis von Familiengerichten und Psychologen so gut wie immer sträflich verharmlost. Nur in Ausnahmefällen wird dahingehend ermittelt - trotz Amtsermittlungspflicht. Die damit in Verbindung stehende Kindeswohlgefährdung, die den Kindeswillen zurücktreten lässt, wird schlicht geleugnet. 

"Das Familiengericht hat einen Augenscheinsbeweis über die Beziehung des Hundes zu beiden Beteiligten erhoben und festgestellt, dass Babsi in der mündlichen Verhandlung rasch schwanzwedelnd auf die Antragstellerin zulief, von ihr dann hochgenommen wurde und auf ihrem Schoß blieb (Bl. 84)."

Ein Glück für Babsi, dass sie in ihrem Willen, in ihrer wahren Bindung und in deren Bekundung bei "Hundeanhörung" nicht beeinflussbar ist. Dasselbe erwarten Verfahrenspfleger, Familienpsychologen und Familienrichter von Kindern bei ihrer Anhörung. Sie unterstellen, dass die Äußerung des Kindes nicht beeinflusst und stets Ausdruck ihres tatsächlichen Willens sei. Dass das Kind damit wie ein Hund behandelt wird, das fällt nicht auf. Es ist so gut wie ausgeschlossen, dass Kinder - wie Babsi - nach einem Jahr Trennung und Umgangsverweigerung auf den umgangsberechtigten Elternteil freudestrahlend zulaufen und auf seinem Schoß sitzen bleiben. Sie werden auch keine ähnlichen Bindungsbekundungen machen. 

Das OLG hat zwar darauf hingewiesen, dass die fehlende Bindungstoleranz im Sinne des fehlenden "Respekts" (bzw. Rücksichtnahme) für das Miteigentum des anderen zu verstehen ist. Denn durch die Zuweisung ändere sich an den Eigentumsverhältnissen überhaupt nichts. Gleichwohl lässt sich die Analogie zur Kindeswohlprüfung kaum leugnen.

WR Kolos schrieb:

Massive Manipulation des Kindeswillens als Folge der fehlenden Bindungstoleranz bis zur unbegründeter bzw. kaum nachvollziehbarer Ablehnung des anderen Elternteils durch das Kind wird in der familiengerichtlichen Praxis von Familiengerichten und Psychologen so gut wie immer sträflich verharmlost. 

 

 

Es tut mir leid, Herr Kolos. Aber diese Aussage disqualifiziert Ihre gesamten Auführungen.

Die Anzahl familiengerichtlicher Entscheidungen, die auf die Bindungstoleranz (oder ihr Fehlen) als maßgebliches Kriterium abstellen, ist Legion.

Ihr Einwand, Herr Burschel, wird nicht dadurch qualifizierter, weil Sie meine Aussage für unqualifiziert halten. Ich würde gerne diese persönliche Schmach auf mich nehmen, wenn Sie nur Recht hätten.  

Vielleicht hätten Sie stellvertretend für die von Ihnen behauptete "Legion" nur ein paar wenige Fundstellen.  

Typische Fälle offensichtlich fehlender Bindungstoleranz kommen u.a. regelmäßig bei den sog. inländischen Kindesentführungen mit anschließender Ungangsvereitelung vor. Kennen Sie wirklich so viele Entscheidungen, die dann zurecht auf die fehlende Bindungstoleranz abstellen und das Sorgerecht - zum Teil - auf den verlassenen Elternteil "übertragen"? 

Den typischen Verfahrensgang kann man stellvertretend für eine Vielzahl von Entscheidungen aus der Entscheidung des BVerfG (Beschluss vom 27. 6. 2008 - 1 BvR 1265/08) entnehmen. Der von der Mutter des Kindes verlassene Vater war Hauptbezugsperson seiner vierjährigen Tochter, die von der Mutter bei Trennung eigenmächtig mitgenommen wurde. Seine VB wurde nicht zur Entscheidung angenommen, weil er leider versäumt hatte, die Verletzung des effektiven Rechtsschutzes zu rügen. Gleichwohl sah sich das BVerfG dazu berufen, eine ausführliche Darstellung der familiengerichtlichen Praxis in seiner Begründung zu geben. Darauf hätte es gut verzichten können, hätte es Ihre Erfahrung als repräsentativ geteilt und es eine Vielzahl an familiengerichtlichen Entscheidungen gäbe, die auf die fehlende Bindungstoleranz entscheidend abstellten.

https://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/rk20080627_1bvr12...

Herr Kolos,

 

Ihre Zusammenfassung der von Ihnen verlinkten Entscheidung des Beundesverfassungsgerichts ist fehlerhaft. Es beginnt damit, dass Sie schreiben, der Beschwerdeführer sei von der Mutter verlassen worden. Das Gegenteil ist der Fall. Auch hat das BVerfG keine "ausführliche Darstellung der familiengerichtlichen Praxis in seiner Begründung" gegeben, sondern seine Ausführungen ausschließlich auf den konkreten Einzelfall bezogen. Auf dieser fehlerhaften Darstellung stützen Sie ihre Schlussfolgerung.

 

In der Sache aber halte ich die Rüge des BVerfG gegenüber dem AG für richtig.

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Sehr geehrter Herr Tim Konstanz,

Sie schreiben

Her Kolos,  Ihre Zusammenfassung der von Ihnen verlinkten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ist fehlerhaft. Es beginnt damit, dass Sie schreiben, der Beschwerdeführer sei von der Mutter verlassen worden. Das Gegenteil ist der Fall.

Das ist falsch. Der Vater hat die Trennung erklärt ohne die Mutter zu verlassen. Siehe Rdnr.3 des Beschlusses:

"Am 22. Oktober 2007 verließ die Mutter mit dem Kind ohne Wissen und Zustimmung des Beschwerdeführers die bis dahin eheliche Wohnung und verzog zu ihrer eigenen Mutter nach S." 

Außerdem schreiben Sie

Auch hat das BVerfG keine "ausführliche Darstellung der familiengerichtlichen Praxis in seiner Begründung" gegeben, sondern seine Ausführungen ausschließlich auf den konkreten Einzelfall bezogen. Auf dieser fehlerhaften Darstellung stützen Sie ihre Schlussfolgerung.

Was ist dann mit "ständige Rechtsprechung" und "Spruchpraxis eines Gerichts" (Rdnr. 27-28) wohl gemeint? Der Einzelfall?

Die familiengerichtliche Praxis liegt darin, die Eilbedürftigkeit nur dann zu bejahen, wenn "Kindeswohlgefährdung oder die Gefahr sonstiger schwerwiegender Unzulänglichkeiten für dessen Versorgung" vorliegt. D.h. im Eilverfahren ändern Familiengerichte nichts an den Verhältnissen, wenn das Kind zwar eigenmächtig mitgenommen wurde - wie Babsi - und kein Umgang stattfindet, das Kind aber ausreichend versorgt wird. Sie verweisen auf das Hauptsacheverfahren und und das darin einzuholende familienpsychologische Gutachten. Weil der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle spielt, ändert sich dann auch im Hauptsacheverfahren nichts. Das gilt auch dann, wenn Gutachter und Gericht feststellen sollten, dass es dem betreuenden Elternteil an Bindungstoleranz und damit die Erziehungsfähigkeit fehlt. Denn die ertrotzte Kontinuität wird in der Zwischenzeit so verfestigt, dass sie für das Kind zu einer neuen Kontinuität wird, an die es sich gewöhnt und sich regelmäßig dahingehend äußern wird, dass es keine Änderung möchte. 

"Die Perspektive einer solchen Rückkehr des Kindes hängt freilich eng mit der Verfahrensdauer zusammen. Mit jeder Verfahrensverzögerung drohen das Fortschreiten einer Entfremdung zwischen dem zurückgelassenen Elternteil und dem Kind und eine Verstärkung der ertrotzten Kontinuität. Dies kann rein faktisch zu einer (Vor-)Entscheidung führen, noch bevor ein richterlicher Spruch vorliegt."

Hinzu kommt, dass die Bindung des Trennungskindes zu dem allein betreuenden Elternteil, sei sie auch durch die Mitnahme neu entstanden, zu einer ungewöhnlichen Stärke wächst - vermutlich durch die Verlustangst begründet, nicht auch noch den letztverbliebenen Elternteil zu verlieren. Die Bindung des Kindes gewichten Familiengerichte in aller Regel höher als die fehlende Erziehungsfähigkeit aufgrund fehlender Bindungstoleranz. Verharmlosend reden familiengerichtliche Psychologen und das Gericht dann auf einmal von "eingeschränkter Erziehungsfähigkeit" - was es auch immer sein soll - und dramatisieren zugleich die Gefahr einer schweren Traumatisierung des Kindes, sollte es von dem "eingeschränkt erziehungsfähigen" Elternteil getrennt werden. 

Natürlich gibt es Familienrichter, die das nicht durchgehen lassen. Der für ihren Bezirk zuständige Familiensenat am OLG darf es aber auch nicht. Auch diese Konstellation gibt es. Aber immer noch zu selten. Selbst innerhalb eines OLG gibt es das eine wie das andere. 

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