Falsch eingesetzte Ein-Euro-Jobber müssen wie Arbeitnehmer bezahlt werden

von Prof. Dr. Christian Rolfs, veröffentlicht am 19.04.2011

Das Urteil birgt Sprengkraft: Ein-Euro-Jobber, die nicht für "im öffentlichen Interesse liegende, zusätzliche Arbeiten" (§ 16d SGB II) eingesetzt werden, sondern reguläre Arbeitnehmer ersetzen, müssen auch wie diese bezahlt werden. Dies hat das Bundessozialgericht entschieden (Urt. vom 13.04.2011 - B 4 AS 98/10 R).

JobCenter setzte den Arbeitslosen als Umzugshelfer bei der Stadt Mannheim ein

Der Kläger erhält seit dem Inkrafttreten des SGB II am 1.1.2005 laufende Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Mit Bescheid vom 24.03.2005 verpflichtete das beklagte JobCenter Mannheim den Kläger, für die Dauer von sechs Monaten gegen eine Mehraufwandsentschädigung von einem Euro pro geleisteter Arbeitsstunde einen sogenannten Zusatzjob als Bürohilfskraft bei der Stadt Mannheim auszuüben; die Stelle war jedoch bereits anderweitig vergeben. Daraufhin schlug das JobCenter dem Kläger am 06.04.2005 eine Arbeitsstelle als Umzugshelfer bei der Stadt Mannheim für vorbereitende Arbeiten für den Umzug des Fachbereichs Gesundheit vor. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein und beantragte zugleich beim SG einstweiligen Rechtsschutz. Während des laufenden Eilverfahrens arbeitete der Kläger ab dem 25.04.2005 als Umzugshelfer und erhielt hierfür eine entsprechende Mehraufwandsentschädigung. Das JobCenter nahm im Verlauf des Eilverfahrens den Bescheid vom 24.03.2005 zurück. Am 18.05.2005 stellte der Kläger die Arbeit ein.

Arbeitsloser stellte die Arbeit ein und klagte auf Arbeitsentgelt

Eine vor dem Arbeitsgericht Mannheim gegen die Stadt Mannheim erhobene Klage auf Zahlung von Arbeitsentgelt wurde mit der Begründung abgewiesen, es habe kein Arbeitsverhältnis bestanden. Mit seiner danach beim Sozialgericht erhobenen Klage macht der Kläger u.a. geltend, die Arbeitsverpflichtung sei rechtswidrig gewesen, weil die beim Umzug des Gesundheitsamtes angefallene Arbeit nicht i.S. von § 16d SGB II "zusätzlich" gewesen sei.

Arbeitsloser kann Tariflohn verlangen, muss sich aber den Wert der Leistungen nach dem SGB II anrechnen lassen

Im Gegensatz zu den Vorinstanzen hat das BSG der Klage in Höhe der geltend gemachten 149,28 Euro stattgegeben. Dem Kläger stehe gegen das JobCenter ein öffentlich-rechtlicher Erstattungs­anspruch zu. Bei der Arbeitsgelegenheit, die vom Kläger wahrgenommen worden ist, fehlte das Merkmal der Zusätzlichkeit. Maßgebend für den durch diese nicht zusätzliche Tätigkeit bedingten Vermögensvorteil bei dem Beklagten sei, dass dieser durch die Schaffung der Arbeitsgelegenheit und die Zuweisung des Klägers an den Maßnahmeträger die Arbeitsleistung veranlasst habe. Hinsichtlich der Höhe des Erstattungsanspruchs könne der Kläger im Grundsatz das übliche Arbeitsentgelt nach dem Tarifvertrag für das Speditionsgewerbe verlangen. Hiervon seien jedoch die Grundsicherungsleistungen (namentlich Regelbedarf, Mehraufwandsentschädigung, Kosten der Unterkunft, zudem die Aufwendun­gen für die gesetzliche Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung) abzuziehen, die das JobCenter im fraglichen Zeitraum (25.04.2005 bis 18.05.2005) erbracht habe.

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2 Kommentare

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Endlich haben die ARGEn mit ihrer Praxis des Verdrängens von Regelarbeitsverhältnissen durch den "Arbeitsdienst" mit seinen Dumpinglöhnen die Rote Karte gezeigt bekommen. Da kommt noch (hoffentlich) eine Lawine auf die Sozialgerichte zu, schließlich waren etwa die Hälfte aller Ein-Euro-Jobber illegal beschäftigt in dem Sinne, dass die Arbeitsstelle nicht "zusätzlich" war (wie bereits Bundesrechnungshof und BGH festgestellt haben: http://www.spiegel.de/wirtschaft/soziales/0,1518,729097,00.html).

Prof. Dr. Rolfs (Threadstarter) schrieb 19.04.2011, 09:00 Uhr:

 

"Im Gegensatz zu den Vorinstanzen hat das BSG der Klage in Höhe der geltend gemachten 149,28 Euro stattgegeben. Dem Kläger stehe gegen das JobCenter ein öffentlich-rechtlicher Erstattungs­anspruch zu."

 

"Mein Name" schrieb 19.04.2011, 10:44 Uhr:

"Endlich haben die ARGEn [...] die Rote Karte gezeigt bekommen."

 

Dazu (nämlich zu "im Gegensatz zu den Vorstanzen" und "Endlich") die Anmerkung, dass diese Kommentare den Eindruck erwecken können, die Vorinstanz(en) hätten noch etwas anderes entschieden. Die BSG-Entscheidung ist aber nicht wirklich überraschend. Vorinstanz war hier das LSG Baden-Württemberg. Dieses hatte mit Urteil vom 11.08.2009 (L 13 AS 419/07, in: BeckRS 2009, 69213) im Prinzip schon so entschieden wie jetzt das BSG in der 3. Instanz. Schon im Sommer 2009 hieß es daher: Das kann eventuell teuer werden. Denn die Stuttgarter hatten auch schon in der 2. Instanz ein offenes Ohr für den 1-Euro-Jobber. Das LSG bezog sich damals auf die Entscheidung BVerwG, NVwZ-RR 2005, 416, zur damaligen Sozialhilfe, wonach es zu einer Rückabwicklung kommen muss, wenn die Arbeit rechtswidrig zugewiesen wurde. Dem Grunde nach sah daher schon das LSG Baden-Württemberg den Anspruch des Ein-Euro-Mannes gegen die Arge auf Ersatz der rechtsgrundlos geleisteten Arbeitskraft als gegeben an und rechnete diese, wie jetzt auch das BSG, der Höhe nach nach dem einschlägigen Tariflohn aus. Für den zweitinstanzlichen Misserfolg des Klägers entscheidend, hatten ihm die Stuttgarter aber für den fraglichen Zeitraum die Grundsicherung voll abgezogen, so dass er leer ausging. Das (!) ist jetzt in Kassel anders gesehen worden, im übrigen aber hält sich der Überraschungseffekt in Grenzen.

 

Rechtsanwalt und Fachanw. f. Arbeitsrecht M. Bender, Karlsruhe

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