Kachelmann-Hauptverhandlung - eine Ansammlung von Merkwürdigkeiten

von Prof. Dr. Henning Ernst Müller, veröffentlicht am 11.11.2010

Als wären da der Kuriosa in diesem Verfahren nicht genug:

Ein vor dem Gerichtsgebäude in sein Diktiergerät sprechender Journalist wird wegen des Verdachts einer Straftat nach § 201 StGB festgenommen, das Gerät beschlagnahmt. (Quelle) Grund: Hinter verschlossenem Fenster im Erdgeschoss beriet das Gericht. So entstand der Verdacht, der Journalist habe die Beratungen aufgezeichnet oder aufzeichnen wollen. Eine berechtigte Befürchtung angesichts der häufigen "leaks" aus diesem Verfahren, mit denen die Nichtöffentlichkeit des Ermittlungs- und eines Großteils der Hauptverhandlung unterlaufen wurde? Oder ein absurder Vorwurf, gegründet auf übertriebenem Misstrauen mit beinahe paranoiden Zügen (siehe lawblog)? Gleich wie, das Ereignis passt in die Reihe von Merkwürdigkeiten und Besonderheiten, die dieses Verfahren bislang mit sich brachte.

So ergab sich zuletzt, dass eine Zeugin Inhalte ihrer Aussage zuvor exklusiv an eine Illustrierte verkauft hatte: Die Entscheidung, ihre Vernehmung nicht öffentlich durchzuführen (§ 171 b GVG), sicherte somit als Nebeneffekt diese Exklusivität. Dass die Zeugin damit ihre Zuverlässigkeit in eklatanter Weise untergraben hat, scheint die Staatsanwaltschaft kaum zu berühren, im Gegenteil. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft signalisierte laut diesem Pressebericht, er habe kein Problem damit: 

"Dafür gerieten Staatsanwaltschaft und Verteidigung an diesem Morgen wegen der Aussage von Katharina T. aneinander. Dass sie ihre Erlebnisse mit dem wegen Vergewaltigung angeklagten Moderator öffentlich machen will, sorgte bei der Verteidigung für Unmut. Kachelmanns Anwalt Birkenstock nahm dies zum Anlass, indirekt ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Der Staatsanwalt sagte, die Zeugin habe am Montag korrekt auf die Fragen der Verteidigung geantwortet. Es sei ihr überlassen, ob und welche Verträge sie mit einer Illustrierten aushandle." (Quelle: Berliner Morgenpost)

Aber wenn das private "Kasse machen" von Zeugen in einem prominenten Strafverfahren Schule macht, können Justiz und Rechtsstaat auf lange Sicht einpacken. Das monetäre Interesse eines Zeugen an exklusiven und möglichst spektakulären Angaben und das Interesse des Strafverfahrens an möglichst objektiven Angaben zu einem vergangenen Ereignis widersprechen sich meist diametral. Ein seine Aussage als "exklusiv" verkaufender Zeuge missbraucht zudem die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung zu eigennnützigen Zwecken. Einem solchen Verhalten muss scharf begegnet werden. Jedes Verständnis ist hier völlig unangebracht und bringt die Justiz in Verruf.

Die Staatsanwaltschaft hat dem entgegengehalten, auch Kachelmann und seine Anwälte hätten die Medien instrumentalisiert. Auch wenn dies - insbesondere hinsichtlich eines Interviews Kachelmanns mit ausgerechnet der "Bild" - ebenfalls kritikwürdig ist: Der kategoriale Unterschied zwischen dem Beschuldigten/Angeklagten und einem Zeugen dürfte hier doch eine gewisse Rolle bei der Bewertung spielen. Zumal Staatsanwaltschaft und Gericht im Glashaus sitzen: Auch ihre Medienarbeit ist nicht frei von - sagen wir - "Merkwürdigkeiten".

 

 

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29 Kommentare

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Zu den Leaks: Können Sie sich vorstellen, dass die Verteidigung selbst für die Löcher gesorgt hat?

Ich könnte mir vorstellen, dass die Verteidigung, die in den Akten die Aussagen der ehemaligen Gespiellinnen von Kachelmann liest, geneigt sein könnte, die Adressen der Zeugen an die Presse weiterzugeben in der Hoffnung, dass die Presse die Zzeugen mürbe macht und deren Häuser belagert.

Stichwort: Einschüchterungstaktik!

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Die Beschlagnahme erscheint mir unverhältnismäßig zu sein.

 

- Erstens findet die Benutzung des Gerätes außerhalb des Gebäudes statt.

- Zweitens spricht der Journalist in sein Gerät, anstatt es etwa still in eine Richtung zu halten.

- Drittens sind die Fenster zu den Beratenden verschlossen.

- Viertens wurde nicht erwähnt, kann daher in der Gesamtwürdigung auch nicht angenommen werden, dass der Journalist etwa in sehr kurzem Abstand zu diesen Fenstern, oder ganz besonders auffällig und einen Verdacht begründent das Gerät benutzte.

 

Ein übermäßiger Eingriff in die Pressefreiheit und der freien Berichtestattung drängt sich hier nahezu auf.

 

Eine monetäre Verwertung von Informationen und des Prozesses durch Zeugen und Angeklagte während eines laufenden Prozesse halte ich auch für äußerst bedenklich.

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zu #1:

Mittlerweile gibt es ja fast nichts, was man sich in diesem Verfahren nicht vorstellen könnte. Es könnten Prozessbeteiligte auf allen Seiten sein, die hier die Medien für ihren (vermeintlichen) Vorteil nutzen wollen. Es ist mir aber nicht bekannt, dass und welche Zeuginnen überhaupt derart "belagert" wurden. Als bewusste Verteidigungs-"Taktik" käme mir dies zudem sehr riskant vor, weshalb ich daran nicht glaube: Wie ein Zeuge/eine Zeugin auf solche Einschüchterung reagiert, lässt sich doch kaum steuern oder vorhersagen.

Der Beschuldigte bestreitet den Vorwurf und bietet eine harmlose Erklärung an.

Ja, und? Heißt das jetzt zwingend, dass die Erklärung zutrifft und der Vorwurf haltlos ist? Es soll ja vorkommen, dass Beschuldigte zu ihrer Verteidigung lügen.

Außerdem: Musste das Gericht es wirklich darauf ankommen lassen, ob das eingesetzte Gericht vielleicht ein modernes Richtmikrophon enthält, mit dem man natürlich auch Gespräche durchs geschlossene Fenster abhören kann?

Die Herren scheinen ein wenig blauäugig zu sein, was die Methoden des modernen Jounalismus angeht.

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@B. Bürger #4:

Ich weiß jetzt nicht, welche blauäugigen "Herren" Sie meinen. Ich habe ja die Frage, ob der Verdacht gegen den Journalisten zutrifft, ausdrücklich offen gelassen - siehe meinen Ausgangsbeitrag. Und der Kommentar #2 stammt von "Henriette". Dies beiseite: Wenn man Ihrer Argumentation nachgeht, müsste das Gericht weiträumiger abgesperrt werden oder Beratungen dürften nur noch in abhörsicheren Räumen stattfinden, da mittlerweile auch  Geräte auf dem Markt sind , die nicht mehr durch ein Diktiergerät "getarnt" werden müssen, sondern in einem Fahrradhelm o.ä. verborgen sein können.

Besten Gruß

Henning Ernst Müller

 

Zur Zeugin "Försterin":

Dass sie einen Exklusivvertrag geschlossen hat, ist mE dann, wenn man mit Presserecht einigermaßen vertraut ist, nichts Ungewöhnliches. Diese Verträge dienen auch dazu, Ruhe vor anderen Medienvertretern als dem Vertragspartner zu haben, Es ist klar, dass das Gerichtsgebäude von Medienvertretern umlagert ist, die darauf aus sind, Informationen u.a. von den Zeugen zu bekommen. Selbst das SZ-Magazin (die Sz beruft sich gegenüber Vorwürfen des unseriösen Boulevardjournalismus darauf, dass das Magazin selbstverständlich völlig unabhängig vom Hauptblatt sei....) hat "anonym" "Lausemädchen" über ihre Erfahrungen mit Kachelmann berichten lassen; Namen und Anschriften sind- aus welchen Quellen auch immer - offenbar recht mühelos in Erfahrung zu bringen.

@Prof. Dr. Müller:

Zur "Glaubwürdigkeit":  Es ist eigentlich seit einigen Jahren Stand der Aussagepsychologie (und in der beweisrechtlichen Fachliteratur wie Bender/Nack oder eher aus Anwaltssicht Geipel, Handbuch der Beweiswürdigung auch nachzulesen), dass die sogenannte persönliche Glaubwürdigkeit ("was für eine geldgeile ....."!, Wie die sich schon für die Vernehmung aufgetakelt hat!") eher sekundär ist und man primär die Aussageinhalte (Glaubhaftigkeit) anhand von Realitätskennzeichen zu würdigen hat. Im Übrigen dürfte die Zeugin ja schon deutlich vor ihrem Exklusivvertrag von der Polizei vernommen worden sein, so dass man auch anhand dessen z.B. die Aussagekonstanz prüfen kann. Ich meine, dass die Verteidigung hier wieder einen Heißluftballon gefüllt hat; zum offenbar recht schillernden Privatleben des Herrn Kachelmann gehörten offenbar auch recht schillernde Frauen. Was weder ihrer noch seiner "persönlichen Glaubwürdigkeit" mE zum Nachteil gereichen sollte. Ich denke, dass man auf die sehr verkürzten, bei weitgehend nichtöffentlicher Verhandlung  offenbar durch gezieltes (Des)Informationsstreuen manipulierten unzureichenden Pressemeldungen zum Verhandlungsverlauf nur bedingt eine Einschätzung des Prozessverlaufs stützen sollte.

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@klabauter

Dass sie einen Exklusivvertrag geschlossen hat, ist mE dann, wenn man mit Presserecht einigermaßen vertraut ist, nichts Ungewöhnliches. Diese Verträge dienen auch dazu, Ruhe vor anderen Medienvertretern als dem Vertragspartner zu haben, Es ist klar, dass das Gerichtsgebäude von Medienvertretern umlagert ist, die darauf aus sind, Informationen u.a. von den Zeugen zu bekommen.

   
Diese Darstellung erscheint mir nicht schlüssig. Inwieweit entkommt die Zeugin durch einen Exklusivvertrag den Anfragen anderer Journalisten? - trägt sie etwa einen Hut mit der Aufschrift "Exklusiver Zeuge von Bunte"? Und selbst wenn dies der Fall wäre und Journalisten die bekannten Exklusivzeugen nicht mehr belästigen sollten, was hindert einen Zeugen daran, die Journalisten mit der Behauptung eines Exkklusivvertrags abzuwimmeln, ganz unabhängig davon, ob ein solcher besteht? Dass das Presserecht Exklusivverträge zulässt, hat m. E. überhaupt keine Bedeutung für die prozessuale Bewertung. Dass es dabei nicht etwa beiden Seiten primär um Kohle geht sondern um "Ruhe" vor den anderen, halte ich für ein Märchen. Die Frau bereichert sich an einer Prominenz, die sie ausschließlich durch den "Fall Kachelmann" erlangt hat, und diese Möglichkeit hat sie offenbar 5 Monate nach der Festnahme von Kachelmann realisiert.  
Ihre Ausführungen zur Glaubhaftigkeit treffen weitgehend zu, aber hier geht es tatsächlich auch um die allg. Zuverlässigkeit der Angaben der Zeugin (oder von Zeugen im allg.), in einem Fall, in dem diese Aussage "verkauft" wird, was funktionell eine spektakuläre Darstellung  mit sich bringt. Selbstverständlich können solche Aspekte nach wie vor in eine Beweiswürdigung einfließen, auch wenn sie nicht mit den Glaubhaftigkeitskriterien zu messen sind (und zwar nicht wegen des "Schillerns" der Persönlichkeit, sondern wegen des Verkaufs gerade dieser Angaben zum Fall). Ich halte das für eine krasse Fehlentwicklung, unabhängig von diesem speziellen Fall und unabhängig von einer Beurteilung des hiesigen Prozessverlaufs.

Ich halte es für bedenklich, Aussagen vor dem Vernehmungstermin vor Gericht zu veröffentlichen bzw. Medienunternehmen zur Verfügung zu stellen.

Man stelle sich vor:

1. Journalist J überredet Zeuge Z, ein Interview über die Inhalte seiner baldigen Aussage zu geben.

2. J ist an einer möglichst spannenden Aussage interessiert. Er führt das Gespräch entsprechend.

3. Der veröffentlichte Artikel wird an Spannung hinter den Gesprächsnotizen nicht zurückbleiben, sondern sie eher übertreffen.

4. Z erscheint nun zum Gerichtstermin. Er befindet sich nun im Spannungsfeld zwischen seiner Wahrheitspflicht und dem Vertrag mit J. Denn wenn die Geschichte vor Gericht "kleiner" ist, als sie in J's Publikation zu lesen ist, wird J in die Kritik und vielleicht sogar Haftung geraten. Also wird Z sich nun eher an die publizierte "Wahrheit" halten.

5. Verteidigung, Nebenklage, Staatsanwaltschaft und Gericht können dem Zeugen u. U. höchst unangenehme Vorhaltungen machen: "Heute morgen in der Zeitung haben Sie das aber ganz anders dargestellt...". Dies kann die Aussage des Zeugen weiter verformen und die Glaubwürdigkeit des Zeugen unwiderruflich beschädigen.

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@Prof. Dr.Müller:

Ich habe auch nicht geschrieben, dass finanzielle Gesichtspunkte bei dem Vertrag keine Rolle gespielt hätten. Dass sie "ihre Aussage" verkauft haben soll, lässt sich ohne Kenntnis des Vertragsinhaltes, des Interviewinhaltes und des Inhaltes der gerichtlichen Zeugenvernehmung mE nicht behaupten. (offenbar - so der Ausgangstext des blogs - "will sie" erst noch das Interview geben) .Insbesondere dann, wenn die Vernehmung in der Hauptverhandlung VOR einem Interview stattfindet, sehe ich nicht, weshalb Zweifel an der Glaubwürdigkeit bestehen sollten. Dass die Zeugin eine von ihr nicht geschaffene "Prominenz" als kachelmann-Freundin erlangt hat und die nunmehr eingetretene Situation ausnutzt, ist wohl etwas anders zu beurteilen als wenn ein Zeuge beispielsweise den Gang an die Presse nutzt, um damit gleichzeitig erst ein Ermittlungsverfahren ins Rollen zu bringen. Da könnte man von Belastungsmotiven ausgehen.

Einig sind wir uns offenbar darin, dass die Art und Weise der medialen Verarbeitung ("Lagerbildung" Schwarzer vs. Friederichsen, Frau Rückerts "Dolchstoß" gegen den Verteidiger, Vorabberichte auch in bislang als seriös geltenden Erzeugnissen über die Beziehungen Kachelmanns) geeignet ist, einen einigermaßen ruhigen und geordneten Prozessverlauf nicht unbedingt zu fördern.

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Man darf auch den Sensationsanreiz nicht vergessen, der auf die Zeugen durch solche Prozesspublikationen einwirkt. Nicht wenige werden, insbesondere wenn sie ihre 15 Minuten Aufmerksamkeit noch nicht hatten, hier zu Aussagen, der Darstellung vermeintlicher Realitäten und fiktiver Sensationen animiert. Sehr problematisch, insbesondere im Strafprozess, wo es um nicht wenig für die Angeklagten geht und für derartiges Theater kein Raum ist.

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Zitat:

'Der Staatsanwalt sagte, die Zeugin habe am Montag korrekt auf die Fragen der Verteidigung geantwortet. Es sei ihr überlassen, ob und welche Verträge sie mit einer Illustrierten aushandle." (Quelle: Berliner Morgenpost)'

Das ist ja interessant - ein Staatsanwalt, den es offenbar gar nicht stört, dass der Inhalt von Zeugenaussagen schon vor der Aussage per Vertrag zur Verkaufsware wurde....

Die Kraft ihrer Zuständigkeit verantwortlichen (??) Aufsichtsbehörden werden auch weiterhin wegschauen und zulassen, wie die Mannheimer Kammer in einträglicher Zusammenarbeit mit großen Verlagshäusern das Ansehen der Justiz ruiniert - jedenfalls, solange sich keiner verplappert.

Ich schrieb oben sehr bewusst 'einträglich' und nicht 'einträchtig', da ich aus erster Hand weiß, dass Verlage und andere Institutionen der Medienwelt geldwerte Abmachungen und Verträge nicht nur mit Zeugen, sondern auch mit deutschen Justizorganen abschließen - vorab und zum Nachteil derer, die in einem Rechtsstaat eigentlich auf die Unbestechlichkeit dieser Organe vertrauen können müssten.  Und es geht dabei keineswegs immer nur um den Verkauf von erkennungsdienstlichen Fotos an Boulevard-Blätter... 


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Woraus ergibt sich, dass das den Staatsanwalt gar nicht stört ? Haben Sie schon sein Plädoyer (und dort insbesondere seine Ausführungen zur Würdigung der Aussage der genannten Zeugin) gehört ? Was soll er denn sonst dazu sagen, als dass das Sache der Zeugin ist ? Das nennt man Vertragsfreiheit, da kann auch der schneidigste Staatsanwalt im Vorfeld gar nichts dagegen machen. Und schon gar nicht erschließt sich mir, wieso aus diesem Vorgang auf "die Kammer" geschlossen wird. Auch die Kammer wird aus dem Inbegriff der Hauptverhandlung schöpfen und die Aussage der Zeugin würdigen. Nicht mehr und nicht weniger. Und selbst wenn eine Aussage "zur Verkaufsware" wurde - kann sie deshalb nicht trotzdem stimmen ? Und wenn sie nicht zur Verkaufsware wurde kann sie dennoch falsch sein. Warten wir ab, wie die Kammer entscheiden wird, lesen die Entscheidung (die sicher irgendwie den Weg in die Öffentlichkeit finden wird - vielleicht auch durch die Verteidigung ?) und diskutieren dann weiter.

@PeterF:

Na klar, Sie haben Infos aus erster Hand. Von jemandem, der gehört hat, dass jemand gesagt haben soll, ......?

DIe "erste Hand", die Ihnen diese sensationellen Informationen über Verträge zwischen "Justizorganen" und Medienwelt mitgeteilt hat, dürfen Sie sicher nicht nennen, da sie sonst von den Verschwörern liquidiert wird ?

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auch die zeitliche Abfolge der Unterrichtung der Beteiligten ist nicht uninteressant:

http://www.morgenpost.de/vermischtes/article1446360/Kachelmann-Ex-will-exklusiv-mit-Ilustrierter-Reden.html

"eigentlich darf das, was in nicht öffentlichen Sitzungen vor Gericht besprochen wird, von keinem Beteiligten nach draußen getragen werden. Kachelmanns Anwalt Reinhard Birkenstock wirkte erschöpft, als er am Abend nach einem langen Verhandlungstag aus dem Gerichtssaal trat. „Ja“, bestätigte er, es gebe einen Exklusivvertrag der Zeugin mit einem Magazin. Solche Abmachungen müssten dem Gericht eigentlich grundsätzlich bekannt sein. Doch er selbst habe auch erst davon erfahren, als ihn ein Journalist während der Pause auf das Gerücht ansprach. Daraufhin habe er in nicht öffentlicher Sitzung nachgefragt und die Bestätigung erhalten. „Dem Gericht liegt jetzt der Vertrag vor“, sagte Birkenstock. Er habe ihn gesehen, er wisse sogar, wie viel die Illustrierte der Frau zahle."

Was die Glaubwürdigkeit angeht, werden andere Zeugenaussagen wohl noch stärker beeinflussen als der "Geschichtenverkauf": http://www.morgenpost.de/printarchiv/panorama/article1447643/Kachelmann-Prozess-Streit-ueber-Glaubwuerdigkeit-der-Ex-Geliebten.html

 

"Mitte Juli hatte sie Jörg Kachelmann ein zynisches Geburtstagsgeschenk ins Gefängnis geschickt: Kondome und ein Stück Intimwaschseife. Zuvor schon war eine Rechnung an seinen Anwalt Reinhard Birkenstock gegangen, in Höhe von 3700 Euro. Diese Summe wollte Kachelmanns Ex-Geliebte Katharina T., die jetzt ihre Story einer Illustrierten verkauft hat, als Ersatz für den Kostenaufwand ihrer drei Jahre währenden Beziehung zurückhaben. Das wurde am 15. Prozesstag bekannt, als eine Freundin der 29-jährigen Försterin aus Norddeutschland aussagte."

a propos: ist  es üblich, dass "nach Kundenwunsch" entschieden wird, so wie es das Zitat nahelegt: "die längst zur Routine gewordene Frage ... „Wünschen Sie einen Ausschluss der Öffentlichkeit?“ , ohne dass geklärt wird, ob deren öffentliche Erörterung schutzwürdige Interessen verletzen würde, soweit nicht das Interesse an der öffentlichen Erörterung dieser Umstände überwiegt (bei § 171 b GVG )

Kann jetzt jeder Zeuge mit einigermaßen interessanter Aussage die Öffentlichkeit ausschließen lassen, um seine Geschichte exklusiv zu vermarkten, da zwangsläufig immer "Umstände aus dem persönlichen Lebensbereich ... zur Sprache kommen" - zumindest dann, wenn man seine Aussage entsprechend ausgestaltet? (Kann ja niemand vorher beurteilen, ob diese persönlichen Bezüge tatsächlich prozessrelevant sind, Hauptsache es reicht zum Ausschluss und damit zur Exklusivität)

 

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@Lars Petersen

Der Staatsanwalt hat das Verhalten der Zeugin gegenüber Kritik verteidigt, äußerte sich demnach nicht neutral, sondern hieß deren Verhalten gut. Er bekennt sich so in aller Öffentlichkeit zu den geschäftlichen Interessen beider Vertragsparteien, Zeugin wie Medienseite. Den Anspruch, als unvoreingenommen angesehen zu werden, hat er damit verwirkt.      

 

Siehe (Zitat):

 

'Dass sie ihre Erlebnisse mit dem wegen Vergewaltigung angeklagten Moderator öffentlich machen will, ließ bei der Verteidigung Unmut aufkommen. Kachelmanns Rechtsanwalt Reinhard Birkenstock nannte das Verhalten der Zeugin "unverschämt". Er zog indirekt die Glaubwürdigkeit der Zeugin - eine 29-jährige Försterin - in Zweifel. Der Staatsanwalt sagte, die Zeugin habe am Montag korrekt auf die Fragen der Verteidigung geantwortet. Es sei ihr überlassen, ob und welche Verträge sie mit einer Illustrierten aushandle oder nicht.'

Quelle:

http://www.stuttgarter-zeitung.de/stz/page/2702844_0_6412_-verteidigung-...

 

 

 


 

 

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Die Staatsanwaltschaft ist natürlich nicht unvoreingenommen, was ihre Belastungszeugin angeht. Ist doch klar dass die versucht, die Aussage als wahr hinzustellen - auch wenn deren Freundin sie zumindest relativiert hat, offensichtlich Rachegefühle gegenüber dem Angeklagten bestehen (wie die 3700-Euro-Rechnung u.a. zeigen) und dann noch der Auftritt zu Geld gemacht werden soll...

@12: Die Vertragsfreiheit schließt nicht die Freiheit ein, gegen § 171 b zu verstoßen. Auch der Angeklagte hat schutzwürdige Interessen und ein Recht auf Privatsphäre, und wenn aufgrund derer die Öffentlichkeit ausgeschlossen wird, dürfen die betreffenden Teile der Zeugenaussage auch nicht im Exklusivinterview auftauchen. Sich selbst darf die Zeugin natürlich im Interview entblößen, so viel sie will - was allerdings ihr eigenes Verlangen nach Ausschluss der Öffentlichkeit auf das Gewinnstreben reduziert (ist Habgier nicht ein niederer Beweggrund? ;-) ) und ihre Glaubwürdigkeit nicht gerade steigert.

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Wie kommen Sie darauf, dass die Zeugin die "Belastungszeugin" der Staatsanwaltschaft sei?

Das Gericht ist nach § 244 II StPO zur Aufklärung verpflichtet. Um die Glaubhaftigkeit der Aussage der Nebenklägerin und die Persönlichkeitsstruktur des (in der HV schweigenden) Angeklagten zu prüfen, werden Zeugen aus dem näheren Umfeld Kachelmanns vernommen. Deren Aussagen (den Inhalt kennt man ja nicht bis auf die Punkte, die die Verteidigung nach nichtöffentlicher Vernehmung ventiliert) können entlastend oder belastend sein. Genaueres weiß man nicht.

 

@mein Name: Ein Vertrag der Zeugin mit der Bunten kann kaum gegen § 171 b GVG verstoßen. Denn diese Vorschrift richtet sich an das Gericht und verbietet dem Zeugen ansonsten gar nichts (außer natürlich die weitere mittelbare Folge: § 353d Nr. 1 StGB, sofern sich der Vertrag auch auf das Geschehen in dem nichtöffentlichen Teil der HV beziehen sollte. Weiß man aber wieder nicht, also wieder einmal: alles nur Spekulation). Die Zeugin darf in dem Interview also allenfalls nicht auf ihre Wahrnehmungen in der HV berichten; einen Maulkorb für die Verbreitung ihrer Lebensgeschichte bedeutet ein Beschluss nach § 171 b GVG nicht.

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Neues zum Diktiergerät-Lauschangriff:

Mittlerweile teilt die StA Mannheim mit, ein Ermittlungsverfahren eingeleitet zu haben (ohne ein solches könnte sie wohl kaum die Beschlagnahme aufrechterhalten, geschweige denn die aufgenommenen Inhalte überprüfen).

Interessanter die weiteren Ausführungen im Nachrichtenportal RheinNeckar:

"Der dpa-Mitarbeiter soll sich an ein Fenster des Richterzimmers an der Rückseite des Gebäudes geschlichen haben." (Quelle)

Das hört sich jedenfalls anders an, als "auf dem Bürgersteig vor dem Gebäude" (Quelle). Mal sehen, welche Version sich als wahr herausstellt. Hoffentlich ist aber zur Aufklärung nicht wieder ein Verfahren mit Glaubhaftigkeitsgutachtern und sonstigen Sachverständigen erforderlich. Immerhin könnte ja die StA, worauf sie selbst hinweist, auch dann anklagen, wenn sich auf dem Diktiergerät nichts findet. Nach § 201 Abs. 4 StGB ist der Versuch strafbar.

"Wir überprüfen, was auf dem beschlagnahmten Aufnahmegerät zu hören ist", erläuterte Seiler. "Allerdings ist schon der Versuch des illegalen Abhörens strafbar." (Quelle wie oben).

 

 

Das Ermittlungsverfahren gegen den dpa-Journalisten wurde eingestellt (Quelle). Das ging dann doch schneller als zu befürchten war. aufnahmegerät und Handy mussten nicht ausgewertet werden, denn ein Ortstermin genügte, um den Verdacht auszuräumen:

"Der Verdacht gegen den dpa-Korrespondenten habe bei einem Ortstermin am Freitag vollkommen ausgeräumt werden können, sagte Grossmann weiter. Dabei wurde festgestellt, "dass es nicht möglich gewesen wäre", von außen Gespräche in dem Zimmer aufzuzeichnen" (Quelle wie oben)

 

Gibt es jetzt ein Verfahren gegen den Richter, der Ermittlungsverfahren, Vernehmungstermine und Beschlagnahmen anleitet, obwohl er - als Ortskundiger - wohl gewusst hat, dass die Vorwürfe unberechtigt sind?

Den Vorsatz für eine Nötigung, Freiheitsberaubung, falsche Verdächtigung etc. zu verneinen, dürfte hier schon schwierig werden.

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Subjektiv wird wohl die Anforderung "wider besseres Wissen" in § 164 StGB (Falsche Verdächtigung) nicht erfüllt sein, selbst wenn er als Ortskundiger vielleicht hätte "wissen können". Zudem hat der anzeigeerstattende Richter natürlich nicht selbst ermittelt.

Wieso sollte der Richter hier nicht "wider besseres Wissen" gehandelt haben? Bei einem Ortstermin scheint für die StA offensichtlich gewesen zu sein, dass ein Abhören aufgrund der örtlichen Gegebenheiten objektiv nicht möglich ist. Das muss auch der Anzeigeerstatter/Richter gewusst haben - schließlich geht es um das Fenster seines Dienstzimmers/-gebäudes. Wenn man unterstellt, dass bei ihm keine außergewöhnlichen Erkenntnisdefizite (Wahnvorstellungen o. ä.) vorliegen, muss er vor der Anzeige durchaus erkannt haben, dass er mit der Anzeige eine unmögliche Tat behauptet.

Nötigung, Freiheitsberaubung etc. können meiner vagen Erinnerung doch auch in mittelbarer Täterschaft erfolgen, was hier m. E. nicht fern liegt.

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Können Sie sich vorstellen, dass die Verteidigung selbst für die Löcher gesorgt hat?

Ich könnte mir vorstellen, dass die Verteidigung, die in den Akten die Aussagen der ehemaligen Gespiellinnen von Kachelmann liest, geneigt sein könnte, die Adressen der Zeugen an die Presse weiterzugeben in der Hoffnung, dass die Presse die Zzeugen mürbe macht und deren Häuser belagert.

 

Leider trifft dieses in dem Fall jedoch nicht zu, da ein Geschäftspartner von Kachelmann die Adresse und auch die Zeuginnen der Bild etc. sozusagen "frei Haus" leiferte!

näheres dazu findet sich hier:

http://ritaevaneeser.wordpress.com/2010/09/21/jorg-kachelmann-und-das-ch...

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Eine kritische Analyse des Kachelmann-Prozeses:   "Im Zweifel für oder gegen den Angeklagten - Der Fall Kachelmann ist nicht einfach ein Prozess, in dem es um den Vorwurf der Vergewaltigung geht. Er ist ein Medienspektakel, bei dem Journalisten unterschiedlichster Medien aus der Rolle fallen - mit fatalen Folgen."   http://www.faz.net/s/Rub475F682E3FC24868A8A5276D4FB916D7/Doc~ED6062A2708...

 

Daraus: "In kaum einen Prozess in Deutschland haben sich die Medien so früh und derart verbissen eingemischt wie in diesen „Prozess des Jahres“. Ermittlungsakten, Zeugenaussagen und Gutachten werden veröffentlicht und interpretiert, lange bevor sie vor Gericht zur Sprache kommen. Der Saal im Mannheimer Landgericht scheint nur noch ein Nebenschauplatz zu sein im Kampf um die Deutungshoheit, um das Urteil der Öffentlichkeit über Schuld oder Unschuld des Fernsehmoderators."

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Kachelmann ist überall:

 

http://www.badische-zeitung.de/freiburg/sms-laesst-luegengebaeude-einer-...

 

Nur hat nicht jeder die Möglichkeit, wie jener, sich gegen diese Justiz zu wehren oder das Glück, wie der "Täter" aus diesem Artikel zufällig eine SMS erhalten zu haben.

 

Wie viele sitzen wohl im Knast, wegen der einfachen Behauptung einer "Gewalttat gegen Frauen", weil sie ihre Unschuld nicht beweisen konnten?

 

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