BVerfG: Beweismittel können auch nach rechtswidriger Wohnungsdurchsuchung verwertet werden - Wichtig: In erster Linie sind die Fachgerichte für die Entscheidung über ein Verwertungsverbot zuständig

von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg, veröffentlicht am 31.07.2009Auch Beweismittel, die bei einer rechtswidrigen Wohnungsdurchsuchung gewonnen worden sind, können grundsätzlich gegen den Verdächtigen verwendet werden. Das BVerfG hat hierzu klargestellt, dass ein Beweisverwertungsverbot eine Ausnahme bedeute, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen sei. Die Verfassungsbeschwerde eines wegen Besitzes von Haschisch verurteilten Müncheners nahm es nicht zur Entscheidung an (Beschluss vom 02.07.2009, Az.: 2 BvR 2225/08).   Sachverhalt   Das AG München ordnete die Durchsuchung der Wohnungen des Beschwerdeführers zum Zwecke der Beschlagnahme von Rechneranlagen sowie von weiteren Unterlagen an. Gesucht wurde nach Beweismitteln im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Verstoßes gegen das Markenrecht. Bei den Durchsuchungen fand die Polizei allerdings keine Beweismittel, die im Zusammenhang mit diesem Tatvorwurf standen. Das Ermittlungsverfahren wurde eingestellt und der zugrunde liegende Durchsuchungsbeschluss durch das BVerfG mit Beschluss vom 13.11.2005 (NStZ-RR 2006, 110) aufgehoben. Grund war u.a., dass der mit der Durchsuchung verbundene Grundrechtseingriff außer Verhältnis zu dem allenfalls geringen Tatverdacht gestanden hatte.

Bei der Durchsuchung einer der Wohnungen des Beschwerdeführers, die dieser gemeinsam mit anderen Personen bewohnte, fanden die Ermittlungspersonen in einem dem Beschwerdeführer zuzuordnenden Zimmer Haschisch in nicht geringer Menge sowie zwei Feinwaagen. Dies führte dazu, dass der Beschwerdeführer wegen unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten auf Bewährung verurteilt wurde. Das Gericht verneinte ein Beweisverwertungsverbot mit der Begründung, dass dieses nur aus übergeordneten Gründen im Einzelfall anzunehmen sei. Die Revision des Beschwerdeführers blieb ohne Erfolg. Er zog daraufhin vor das BVerfG.

Fachgerichte in erster Linie für Entscheidung über Verwertungsverbot zuständig

Die Verwertung der bei der Durchsuchung gewonnenen Beweismittel im Strafverfahren gegen den Beschwerdeführer wegen Verstoßes gegen das BtmG verstoße nicht gegen Art. 13 Abs. 1 GG, so die Verfassungsrichter. Zwar habe die Anordnung und Durchführung der Durchsuchung den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG verletzt. Es bestehe aber kein Rechtssatz des Inhalts, dass im Fall einer rechtsfehlerhaften Beweiserhebung die Verwertung der gewonnenen Beweise stets unzulässig wäre. Für die Beurteilung der Frage, welche Folgen ein möglicher Verstoß gegen strafprozessuale Verfahrensvorschriften habe und ob hierzu insbesondere ein Beweisverwertungsverbot zähle, seien in erster Linie die Fachgerichte zuständig. Diese gingen in gefestigter, willkürfreier Rechtsprechung davon, dass dem Strafverfahrensrecht ein allgemein geltender Grundsatz, dass jeder Verstoß bei der Beweisgewinnung ein strafprozessuales Verwertungsverbot nach sich ziehe, fremd sei, und dass die Frage jeweils nach den Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art des Verbots und dem Gewicht des Verstoßes unter Abwägung der widerstreitenden Interessen zu entscheiden sei.

Grundsätze zu Beweisverwertungsverbot beachtet

Ein Beweisverwertungsverbot bedeute eine Ausnahme, die nur nach ausdrücklicher gesetzlicher Vorschrift oder aus übergeordneten wichtigen Gründen im Einzelfall anzuerkennen sei, betont das BVerfG. Insbesondere die willkürliche Annahme von Gefahr im Verzug oder das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Fehlers könnten danach ein Verwertungsverbot nach sich ziehen. Die Gerichte hätten im vorliegenden Fall die von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze ausreichend beachtet. Insbesondere haben sie laut BVerfG die Schwere der Grundrechtsverletzung bei der Durchsuchung in ihrer Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Strafverfolgung und der Wahrheitsermittlung im Strafverfahren wegen des Verbrechenstatbestandes des § 29a Abs. 1 BtMG angemessen berücksichtigt. Es liege auch kein Verstoß gegen das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires, rechtsstaatliches Verfahren nach Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG vor. Denn es gebe keine Anhaltspunkte für eine willkürliche, den Fairnessgrundsatz ignorierende Handhabung der strafprozessualen Grundsätze über Beweisverwertungsverbote.

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5 Kommentare

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Das der bloße Besitz von "leichten" Drogen die Unverletzlichkeit der Wohnung aufheben kann, zumal der Durchsuchungsbeschluß wg. möglichen Verstößen gegen das Markenrecht erlassen wurde, ist nicht zufriedenstellend. Der bloße Hinweis, dass es sich beim § 29a BtMG um einen Verbrechenstatbestand handele, berücksichtigt nicht den Umstand, dass es hier nur um den Besitz einer nicht geringen Menge ging (also kein Handel etc.).

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Leider kann dieser Beschluss des BVerG dazu führen, dass künftig noch sorgloser mit Grundrechten wie Unverletzlichkeit der Wohnung umgegangen wird. Zwar wurde der damalige Durchsuchungsbeschluss vom BVerfG nachträglich wegen Unverhältnismäßigkeit aufgehoben - doch mit welchen Konsequenzen? Die Ermittlungsbehörden wird diese Entscheidung natürlich freuen, und manch einer wird zukünftig Durchsuchungen eher großzügig anordnen und genehmigen. Findet man nichts, so passiert letztendlich auch nichts (außer einem Rüffel durch das Bundesverfassungsgericht). Findet man hingegen irgendetwas, so kann es immerhin verwertet werden. Warum also solle man da nicht zukünftig sehr, sehr großzügig mit Durchsuchungen sein?

Wäre hier ein Schwerverbrecher aufgeflogen, so hätte ich die Entscheidung als Bürger voll und ganz unterstützt. So aber habe ich meine Zweifel, ob das wirklich ein Sieg der Rechtsstaatlichkeit war.

Als Anwalt habe ich eine Durchsuchung am eigenen Leib erfahren. Die Durchsuchungmaßnahme war zwar rechtswidrig. Aber das war nicht das Interessante - interessant war die Akte.

Zu lesen, wie Ermittlungsbeamte denken und eine Durchsuchung vorschlagen, nach dem Motto, da "können wir mal gucken, da könnte was sein" hat mir ein anderes Gefühl für unseren Rechtsstaat gegeben.

Die stigmatisierende Wirkung einer solchen Durchsuchung lasse ich mal Außen vor. Kollegen in meinem Büro worden von Beamten angebufft, "gehören Sie auch dazu?".

Man muss das mal erlebt haben, dann bekommt man ein Gefühl dafür, dass auch im Namen des Rechts Unrecht begangen werden kann.

Amerikanisches Prozeßrecht (Fruit of poisonious Tree) halte ich hier für zweckmäßiger, als Diziplinierunginstrument. Und US-Behörden kann man nicht unbedingt unterstellen, dass Verdächtige mit Samthandschuhen angefasst werden.

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Und Übrigens - der Kollege, den ich beauftragt hatte, Beschwerde einzulegen, erzählte mir, dass er innerhalb von 2 Monaten in 2 Strafakten Abhörprotokolle von sich selbst im Gespräch mit seinen Mandanten gefunden hatte.

Dürfte es nicht geben, gibt es aber. Daher - mit dieser Entscheidung des BVerfG wird nun vieles möglich sein.

Aber vielleicht sollte ein Trupp mal bei einem BVerfG- Richter auflaufen (früh morgens) und seine Bude auseinandernehmen, dann wird es das nächste Mal vielleicht etwas mehr nachdenken.....

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Wir wollen nicht vergessen, dass er wirklich ein halbes Kilo Haschisch da liegen hatte und dass es auch einen staatlichen Sztrafanspruch gibt.

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