Ist die Beteiligung an Autorennen ein Totschlagsversuch?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Vor einigen Monaten hatte ich hier im Beck-Blog das Thema Strafbarkeit von illegalen Autorennen zur Debatte gestellt.
Da die bloße Beteiligung an Autorennen im Straßenverkehr bislang nicht strafbar ist, hatte ich dazu einen neuen Gefährdungstatbestand vorgeschlagen. Die Beteiligung an Rennfahrten sollte als abstraktes Gefährdungsdelikt dem § 316 StGB (Trunkenheitsfahrt) an die Seite gestellt werden. Der Tatbestand § 315e StGB sollte so lauten:
Wer als Kraftfahrzeugführer im Straßenverkehr an einem nicht behördlich genehmigten Rennen teilnimmt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Bei einem abstrakten Gefährdungsdelikt wäre der Tatbestand schon bei Beginn des Rennens erfüllt, nicht erst, wenn das Rennen eine konkrete Gefahr oder gar einen Unfall zur Folge hat.
Mein Vorschlag wurde kontrovers diskutiert. Keine der im Bundestag vertretenen Parteien hat ihn aufgegriffen. Ich bin deshalb keineswegs beleidigt, denn im Allgemeinen stehe ich Neukriminalisierungen durchaus kritisch gegenüber. Die bloße Beteiligung an Autorennen wird also weiterhin nur als Ordnungswidrigkeit verfolgt.
Ein Kriminalisierungswunsch findet aber nun möglicherweise auf andere Weise ein Ventil. Nach einem für einen Unbeteiligten tödlich verlaufenen Rennen auf dem Berliner Kudamm ermittelt die Staatsanwaltschaft jetzt nicht nur wegen Straßenverkehrsgefährdung und fahrlässiger Tötung, sondern wegen Totschlags. (Quelle: Spiegel Online)
Ich bin skeptisch, ob sich ein Tötungsvorsatz tatsächlich nachweisen lässt. Anders als der Gefährdungsvorsatz (etwa nach den §§ 315b, 315c StGB), setzt der Totschlagsvorwurf voraus, dass die Täter nicht nur mit der Möglichkeit eines tödlichen Ausgangs rechneten, sondern diesen auch „billigend“ in Kauf nahmen. Da die Beteiligten sich in gleicher Weise selbst gefährden, wird bislang ein Tötungsvorsatz in solchen Konstellationen eher verneint. Da ich die Einzelheiten bislang nicht kenne, bin ich gespannt, ob am Ende tatsächlich Totschlag angeklagt wird, wie dies ggf. begründet wird und wie dies vom Gericht beurteilt wird. Wenn aber sogar eine Totschlagsverurteilung eintreten sollte, bliebe allerdings fraglich, wie man künftig bei der bloßen Beteiligung an einem solchen Rennen einen Tötungsvorsatz und damit die Versuchsstrafe verneinen wollte. Die bisherige Ordnungswidrigkeit wäre dann schon ziemlich nah am strafbaren Totschlagsversuch.
Ich bleibe skeptisch. Was meinen Sie?