Ermittlungen des GBA wegen Landesverrats - Schlag ins Wasser
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Gegen die zwei Betreiber des Blogs "netzpolitik.org" hat der Generalbundesanwalt ein Ermittlungsverfahren wegen Landesverrats eingeleitet. Zum Tatvorwurf und dazu, was von der Subsumtion unter § 94 StGB übrig bleibt (= fast nichts) habe ich hier im Beck-Blog schon vorgestern Stellung genommen. Innerhalb kürzester Zeit haben der schon seit zehn Tagen online gestellte Beitrag zum GBA und den Ermittlungen wegen der NSA-Affäre und die mehrfach aktualisierten Updates tausende neue Leser bekommen, die Nachricht und der Link zum hiesigen Beitrag verbreitete sich hauptsächlich über twitter.
Nach und nach haben vorgestern und gestern beinahe alle großen Medienwebsites, Sender und Printmedien weitere juristische Stellungnahmen zum Ermittlungsverfahren publiziert, alle mit demselben Tenor: Der Verdacht des Landesverrats ist geradezu abwegig, ein Ermittlungsverfahren wegen § 94 StGB hat keine Grundlage, die Ermittlungen sind ein Schlag ins Wasser. Sogar der Justizminister hat sich gestern mit dieser Tendenz geäußert. Deutlich wurde jetzt auch: Die Strafanzeige des Bundesamts für Verfassungsschutz richtete sich gegen "Unbekannt" und zielte vornehmlich darauf, das Leck im Geheimnisschutz aufzudecken. Die fragwürdige Ermittlungsrichtung gegen die Netzpolitik-Blogger Beckedahl und Meister und damit die Bedrohung der Pressefreiheit hat der GBA zu verantworten. Die Empörung ist wohl auch deshalb so groß, weil dieselbe Behörde bei den bekannt gewordenen Spionagevorwürfen gegen die NSA sich so auffällig zurückhält.
Nach dem sehr starken Medienecho und der Reaktion des Bundesjustizministers ruderte der GBA gestern erkennbar zurück und verkündete, es würden vorerst keine weiteren Ermittlungsmaßnahmen stattfinden. Die FAZ titelte sogar, das Verfahren werde "gestoppt". Aber ein solcher "Ermittlungsstopp" oder ein "Ruhen" der Ermittlungen ist in der StPO nicht vorgesehen.
Wenn erkannt wird, dass die Ermittlungen ohnehin nicht zum Ergebnis einer Strafbarkeit führen können, z.B. weil die Annahme, es handele sich bei den veröffentlichten Dokumenten um Staatsgeheminisse sich als falsch herausstellt, oder andere Voraussetzungen des Tatbestands klar zu verneinen sind, dann kommt nur eine Entscheidung in Betracht: Die umgehende Einstellung des Verfahrens nach § 170 Abs. 2 StPO.
Aber auch wenn diese wohl richtige Entscheidung alsbald getroffen wird, wird wohl jetzt die Frage aufgeworfen werden, ob der derzeitige Inhaber des Amts Generalbundesanwalt noch politisch tragbar ist.