ehemaliger Verfassungsrichter Di Fabio: gesetzliche Festschreibung der Tarifeinheit wäre verfassungswidrig
Gespeichert von Prof. Dr. Markus Stoffels am
Im Konflikt um die gesetzliche Festschreibung der Tarifeinheit haben kleine Spartengewerkschaften jetzt juristische Schützenhilfe bekommen. Nach einem am 5. September 2014 vorgestellten Gutachten des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Udo Di Fabio verstoßen die Pläne der Bundesregierung gegen das Grundgesetz. In dem für die Klinikärztegewerkschaft Marburger Bund erstellten Gutachten schreibt Di Fabio, für einen solchen Eingriff in das Recht der Koalitionsfreiheit der Gewerkschaften gebe es „keine erkennbare Rechtfertigung“. Die Bundesregierung laufe Gefahr, ein verfassungswidriges Gesetzesvorhaben zu beschließen, warnt der Direktor des Instituts für öffentliches Recht der Universität Bonn. Di Fabio widerspricht damit einem Gutachten des früheren Präsidenten des Bundesverfassungsgerichts Hans-Jürgen Papier aus dem Jahre 2011. In der FAZ vom 6.9.2014 (S. 22) wird die Argumentation Di Fabios wie folgt wiedergegeben: Ein Eingriff in den „Kernbereich“ der durch Grundgesetzartikel 9 geschützten Koalitionsfreiheit sei „nur bei nachweisbaren schweren und konkreten Gefahren für überragend wichtige Gemeinschaftsgüter gerechtfertigt“. Diese Voraussetzung sei aber nicht erfüllt. „Der Gesetzgeber kann sich zurzeit nur auf Risiken der Tarifpluralität und allenfalls auf abstrakte und theoretisch denkbare Gefahren berufen.“ Von nachweisbaren schweren und konkreten Gefahren können angesichts einzelner Spartenstreiks wie jenen der Piloten und Lokführer aber keine Rede sein. Überdies sehe Art. 9 GG Berufsgewerkschaften ausdrücklich vor. Demgegenüber seien die Betriebe – die durch Tarifeinheit vor negativen Folgen geschützt werden sollen – „keine grundrechtsrelevanten Vereinigungen“. Eine Sprecherin von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) sagte, ungeachtet des Gutachtens arbeite die Bundesregierung weiter an einer gesetzgeberischen Regelung. Zum Herbst solle ein Vorschlag vorgelegt werden. Das Ministerium hatte zuvor bereits angekündigt, das Konzept werde verfassungsfest sein.