Auch große Kinder müssen noch betreut werden
Gespeichert von Hans-Otto Burschel am
Die drei während der Ehe geborenen Kinder waren zum Zeitpunkt der Rechtskraft der Scheidung 17, 15 und 12 Jahre alt und leben bei der Mutter. Diese (Jahrgang 1964) hatte vor der Eheschließung eine Ausbildung zur Krankenschwester abgebrochen. Sie erteilt in den Nachmittagsstunden Klavierunterricht. Außerdem hat sie nach der Trennung eine Zusatzausbildung zur Rhythmiklehrerin absolviert.
Sie macht Betreuungsunterhalt geltend. Das OLG Schleswig ist zum Umfang der Betreuungsbedürftigkeit der Kinder davon ausgegangen, dass die Ex-Ehefrau eine Erwerbstätigkeit im Umfang von 30 Wochenstunden ausüben könne. Sie könne lediglich eine Anstellung als ungelernte Kraft finden. Zusammen mit ihrer zeitlich flexiblen Tätigkeit als Klavier- und Rhythmiklehrerin könne sie ein monatliches Einkommen von brutto 1.200 €, netto 910 € sowie bereinigt um pauschale Werbungskosten 865 € erzielen.
Die Revision des Mannes blieb erfolglos:
Das Berufungsgericht hat hier neben dem verbleibenden Betreuungsbedarf für die drei Kinder auf die sportlichen Aktivitäten der beiden Söhne abgestellt, die wegen des unzureichenden öffentlichen Nahverkehrs von der Antragsgegnerin gefahren werden müssten. Damit hat es in zulässiger Weise einen nach der Schule bestehenden besonderen Betreuungsbedarf der Kinder berücksichtigt. Bei den Aktivitäten im Sportverein konnte das Berufungsgericht auch davon ausgehen, dass im Regelfall an der während des Zusammenlebens praktizierten Organisation festgehalten werden kann, zumal den Kindern danach in Anbetracht des unzureichenden Nahverkehrs im ländlichen Gebiet auch noch nicht zuzumuten ist, die Fahrten selbständig durchzuführen. Entgegen der Auffassung der Revision war hier auch nicht zu verlangen, dass die Kinder ihren Sport vor Ort oder an einem mit öffentlichen Verkehrsmitteln erreichbaren Ort wahrnehmen. Ein Missverhältnis zu der durch die Betreuung gehinderten Erwerbstätigkeit entsteht in Anbetracht des vom Berufungsgericht angenommenen zeitlichen Umfangs der von der Antragsgegnerin zu leistenden Erwerbstätigkeit nicht.
Soweit das Berufungsgericht die von der Antragsgegnerin vorgetragene Hausaufgabenbetreuung des jüngsten Sohnes akzeptiert hat, ist auch dies nicht zu beanstanden. Dass ein zwölfjähriger Junge - wie die Revision meint - in den Nachmittagsstunden nach Rückkehr aus der Schule nach der Lebenserfahrung die Hausaufgaben selbständig erledigen könne oder von den älteren Geschwistern Hilfe zu erwarten habe, trifft jedenfalls als Erfahrungssatz nicht zu. Vielmehr ist es revisionsrechtlich nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht insoweit dem Vortrag der Antragsgegnerin gefolgt ist.
Ob die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen zur Dauer der Betreuung letztendlich hinreichend genau sind oder nicht, kann deswegen dahinstehen, weil die von ihm angenommene Erwerbsobliegenheit und deren zeitlicher Umfang unter den Umständen des vorliegenden Falles jedenfalls im Ergebnis ausreichend sind.
BGH v. 18.04.2012 - XII ZR 65/10