Die drei ??? und der Turnschuh der Verena Becker
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Die Hauptverhandlung gegen Verena Becker (früherer Blog-Eintrag) wegen des dreifachen Mordes an Generalbundesanwalt Siegfried Buback, Georg Wurster und Wolfgang Göbel findet weiterhin statt. Zum Verfahren hat Kollege Prof. Dr. von Heintschel-Heinegg schon mehrfach hier im Blog Beiträge verfasst. Das allgemeine Medieninteresse hat deutlich nachgelassen (siehe aber die Berichterstattung von 3sat und Stern), aber man kann sich weiterhin bei Buback bloggt und bei "Terrorismus in D" relativ zeitnah über den Verlauf der Hauptverhandlung informieren.
Wegen der Tat wurden drei RAF-Angehörige (Klar, Folkerts, Mohnhaupt) verurteilt, von denen aber wohl keiner auf dem Motorrad saß, von dem aus die Tat begangen wurde.
Michael Buback, der Sohn des Opfers als Nebenkläger, ermittelt zusammen mit seiner Frau seit Jahren, um herauszufinden, welche Personen tatsächlich unmittelbar die Tat ausgeführt haben.
Auffällig ist, dass etliche Zeugen, die zunächst angaben, auf dem Sozius-Sitz des Motorrades habe eine Frau, jedenfalls eine zierliche Person, gesessen, später weder von Polizei noch von der Justiz angehört wurden. Das Ehepaar Buback hat Gründe für die Annahme, dass tatsächlich eine Frau auf dem Motorrad saß und sie vermuten, dass es sich bei dieser Frau um diejenige handelt, bei der – zusammen mit Günter Sonnenberg – wenige Wochen nach der Tat die bei der Tat benutzte Waffe gefunden wurde: Verena Becker. Ob diese Vermutung richtig ist oder nicht, zu dem Thema kann ich nichts beitragen.
Nun ergab sich, wie Buback jetzt in seinem Blog berichtet, Ende März in der Hauptverhandlung, möglicherweise ein weiterer Hinweis, diesmal aus den Akten. Einer der Zeugen, die auf dem Motorrad eine Frau gesehen haben, hat damals den Ermittlern auch Anhaltspunkte gegeben, die zum Versteck des Motorrads führten – dort wo die Täter vom Motorrad in ihr PKW-Fluchtfahrzeug umgestiegen sind. In der Nähe des Fundorts, etwas abseits vom Weg, entdeckten die ermittelnden Polizisten damals einen Schuhabdruck der Größe 40. In der nicht ganz fernliegenden Annahme, der Abdruck könnte von einem der Täter stammen, fertigten sie einen Gipsabdruck.
Die Auswertung dieses Abdrucks und auch der anstehende Vergleich mit den Schuhen von Tatverdächtigen, ging dann allerdings irgendwie „unter“; so dauerte es allein mehr als 1,5 Jahre (!) bis die Kriminaltechnik ermittelt hatte, dass es sich um einen Turnschuh der Größe 40 handele.
Es erfolgte offenbar kein Profil-Vergleich mit den von Frau Becker getragenen Schuhen (lt. Akten: Turnschuhe der Größe 40) nach deren Festnahme in Singen.
Ob eine solche Beweisführung jetzt noch möglich ist, steht in den Sternen: Ob der bei der Festnahme getragene Schuh (noch) bei den Asservaten ist, ist fraglich. Andere Schuhe der Angeklagten aus der damaligen Zeit sind wohl kaum mehr vorhanden.
Ausgerechnet der Bundesanwalt übernimmt (laut Bubacks Bericht) quasi die Verteidigung der Angeklagten: Die Täter hätten ja keinen Anlass gehabt, vom Weg abzuweichen, der Fußabdruck könne also von jedem anderen stammen. Offenbar will er damit die Relevanz der Spur (und eine sich andeutende "Panne" der Ermittler) zur Seite wischen. Aber jeder Schüler, der die drei ??? kennt, weiß: Hätte man das mit dem Gipsabdruck gespeicherte Profil mit einem Schuh von Frau Becker in Einklang bringen können, wäre dies – ähnlich einem Fingerabdruck – ein Beweis dafür, dass Frau Becker am Motorradfundort war. Dass sie auf dem Motorrad saß und die Mordschützin gewesen ist, wäre dann kaum noch zweifelhaft. Das ist ja der Grund dafür, weshalb man Gipsabdrücke macht.
Michael Buback:
Wir sind ein weiteres Mal fassungslos, wie unzureichend ermittelt wurde. Der Zeuge, mit dessen Hilfe die Polizei das Motorrad im Brückenpfeiler fand, hatte zuvor ein Pärchen, Mann und Frau, auf dem Tatmotorrad gesehen. Eine Woche, nachdem der Gipsabdruck für die Schuhgröße “40″zur Kriminaltechnik beim BKA geschickt wird, werden Verena Becker und Günter Sonnenberg in Singen verhaftet. Sie haben die Karlsruher Tatwaffe und einen Suzuki-Schraubendreher bei sich. Verena Becker trägt Sportschuhe der Größe “40″. Es gibt keine Entschuldigung dafür, dass die Sohle der in Singen bei Verena Becker sichergestellten Schuhe nicht unmittelbar mit dem Gipsabdruck verglichen wurde. Meines Wissens ist das aber nicht geschehen. Geht es noch schlimmer? (Quelle)
Und das Argument, die Täter hätten keinen Anlass gehabt, sich ein paar Meter ins Gebüsch zu begeben auf dem Weg vom Motorrad zum Fluchtwagen, ist, wie das Ehepaar Buback bemerkt, auch nicht ganz so stark:
Meine Frau findet eine mir sehr einleuchtende Erklärung: “Auch Terroristen haben menschliche Bedürfnisse. Die vermutlich weibliche Person mit der Schuhgröße ’40′ist am Bachrand auf Toilette gegangen.”(Quelle)
Dass Verena Becker ab einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Verfassungsschutz zusammengearbeitet hat, dafür spricht Vieles – insbesondere die relativ frühzeitige Begnadigung (unter Schwärzung eines Teils der Gründe dafür).
Wann aber diese Zusammenarbeit zwischen Becker und Geheimdienst begonnen hat und welcher Art sie war, bleibt in gesperrten Akten und Zeugenaussagen verborgen. Eine Aufklärung der Tatumstände wird unter diesen Bedingungen leider immer unwahrscheinlicher.