Abo-Fallen: Der "Button" und/oder das Strafrecht?
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Die Bundesregierung stellt mit der Button-Lösung (neuer § 312g BGB) einen Gesetzentwurf vor, dessen Regelung es künftig verhindern soll, dass Internet-User in so genannte Abo-Fallen geraten.
Ob diese zivilrechtliche Lösung tatsächlich funktioniert, ist aber fraglich, siehe dazu die Kritik bei Telemedicus oder bei Internet-Law. Auch heute kommen die typischen Abo-Fallen-„Verträge“ nach ganz überwiegender Auffassung der Rechtsprechung gar nicht zustande, nur äußerst selten werden daher solche Beträge überhaupt eingeklagt. Warum aber zahlen viele der betroffenen Internet-User auf diese Nicht-Verträge, also ohne Rechtsgrund? Dies geschieht fast ausschließlich deshalb, weil sie sich durch entsprechende Schreiben von Anwälten und Inkasso-Büros einschüchtern lassen. Die Rechtslage ist für sie unübersichtlich und die geforderten Beträge erscheinen ihnen wohl meist noch tragbar, so dass sich die Beauftragung eines Rechtsanwalts bzw. das Eingehen eines Rechtsstreits aus ihrer Sicht nicht lohnt.
Die bloße Behauptung, sie schuldeten diese Beträge, ersetzt also die vertragliche Wirksamkeit. Die Abofallensteller nutzen damit eine Fehlfunktion unseres Rechtssystems aus: Die massenhafte Behauptung der Zahlungspflicht führt (häufig genug) zur rechtsgrundlosen Zahlung, so dass sich das Geschäftsmodell lohnt. Entgegen der Drohung der Rechtsanwälte/Inkassostellen werden diese Beträge aber (fast) nie eingeklagt, weil dies, wie sie sehr wohl wissen, chancenlos wäre.
Die Vorgehensweise wird sich nach Ansicht der Kritiker auch nicht ändern, wenn die Vertragswirksamkeit nunmehr an einen „Button“ geknüpft wird. Im Gegenteil werde dadurch eher die Abwicklung völlig regulärer Vertragsbeziehungen im Internet unnötig kompliziert. Durch die Button-Lösung würden also die „ehrlichen“ Händler / Dienstleister und ihre Kunden getroffen, während die „unehrlichen“ ihr Geschäftsmodell einfach weiter betreiben würden. Ganz so pessimistisch bin ich nicht, denn durch eine geschickte und breite Kommunikation des „Buttons“ als Wirksamkeitsvoraussetzung kann vielleicht die Zahlungsbereitschaft der von Abo-Fallen betroffenen Internet-User abnehmen.
Von Kritikern der Button-Lösung wird ein strafrechtliches Eingreifen gefordert: Das Geschäftsmodell funktioniert nämlich auch deshalb so gut, weil sich einige wenige „Rechts“anwälte in diesem System prostituieren und für das „Unrecht“ der Abofallenbetreiber streiten. Dies geschieht auch meines Erachtens in betrügerischer Bereicherungsabsicht bzw. in vorsätzlicher Unterstützung dieser Absicht der Mandantschaft (siehe schon hier). Es kommt dennoch nur selten zur Anklageerhebung bzw. Verurteilung der Abofallenbetreiber und ihrer anwaltlichen Helfershelfer, aus folgenden Gründen:
Es gehört zur Funktionsweise unseres Rechtssytems, dass ein Anwalt auch (möglicherweise) unberechtigte Forderungen seiner Mandantschaft erheben kann. Die Berechtigung der Forderung prüft das Gericht. Deshalb kann nicht verlangt werden, dass Anwälte nur berechtigte Forderungen stellen dürfen. Ein bloß bedingter Vorsatz dahingehend, dass die gestellte Forderung unberechtigt ist, kann für den Vorwurf nach § 263 StGB bzw. §§ 263, 27 StGB deshalb nicht genügen. Der direkte Vorsatz, dass die behauptete Forderung unberechtigt ist, ist aber nur dann nachweisbar, wenn man die Verbindungen und Absprachen zwischen den Anwälten und ihren Auftraggebern durchleuchtet. Eine solche Überwachung berührt aber das freie Mandatsverhältnis. Auch die Forderung, die Anwaltskammern müssten tätig werden, um den Ruf der großen Mehrheit der Anwaltskollegen vor diesen wenigen rufschädigenden Kollegen zu schützen ging bisher deshalb ins Leere, da Eingriffe der Kammern sich wiederum auf strafrechtliche Grundlagen beziehen.
Eine Lösung, über die man nachdenken sollte, wäre es, die unberechtigte Forderungserhebung aufgrund von Abo-Fallen punktuell – also außerhalb von § 263 StGB zu regeln. In einem solchen Tatbestand, der in der Strafwürdigkeit zumindest einer Leistungserschleichung entspricht, könnte auch die Button-Lösung eine Rolle spielen. So könnte es einen Tatbestand erfüllen, eine Zahlungspflicht zu behaupten, ohne die Begründung derselben durch den erforderlichen Button belegen zu können.
Ob dies eine denkbare Lösung wäre, stelle ich hier einmal zur Diskussion.