Hochzeit mit einer Chinesin: Ein Sicherheitsrisiko?
Gespeichert von Prof. Dr. Christian Rolfs am
Die Hochzeit mit einer Chinesin begründet für einen in einem Zulieferbetrieb der Bundeswehr beschäftigten Ingenieur kein Sicherheitsrisiko, das seine Arbeitgeberin zur Kündigung berechtigen könnte. Vielmehr verstößt eine solche Kündigung auch in der Probezeit gegen die guten Sitten (§ 138 BGB) und ist daher unwirksam. Das hat das LAG Schleswig-Holstein jetzt entschieden (Urt. vom 22.06.2011 - 3 Sa 95/11).
Erst abgeworben, dann gefeuert
Der Kläger ist 47 Jahre alt, Ingenieur, und war ursprünglich seit Mai 2006 als Leiharbeitnehmer bei seiner jetzigen Arbeitgeberin eingesetzt. Dieses Unternehmen beliefert u.a. die Bundeswehr. Seit 2007 fuhr er regelmäßig nach China zu seiner dort lebenden heutigen Ehefrau. Sie hat die chinesische Staatsangehörigkeit. Vorher kontaktierte er jedes Mal die Sicherheitsbeauftragte, die zu keinem Zeitpunkt Bedenken äußerte. Ende 2009 bot ihm die Entleiherin eine direkte Festanstellung an. Angesichts der für Dezember 2009 in China geplanten Hochzeit einigten die Parteien sich darauf, das Arbeitsverhältnis am 01.02.2010 beginnen zu lassen. Nur einen Monat später, am 05.03.2010, stellte die Arbeitgeberin den abgeworbenen Ingenieur unvermittelt frei. Er sei, so die Begründung, durch seine Ehefrau und die familiären Beziehungen nach China ein Sicherheitsrisiko. Kurz danach wurde der Arbeitsplatz schon mit einem neu eingestellten Arbeitnehmer wiederbesetzt. Dem Betriebsrat gelang es in der Folgezeit nicht, die Freistellung rückgängig zu machen und die Kündigung zu verhindern. Noch innerhalb der sechsmonatigen Wartezeit des § 1 Abs. 1 KSchG, nämlich im Juni 2010, erklärte die Arbeitgeberin sodann die Kündigung, die sie gegenüber dem Betriebsrat auf „betriebsbedingte Gründe“ stützte.
LAG Schleswig-Holstein: Kündigung ist sitten- und treuwidrig
In der ersten Instanz blieb die Klage gegen die Kündigung noch ohne Erfolg. Die Arbeitgeberin habe subjektiv an Befürchtungen einer möglichen Industriespionage angeknüpft. Das reiche als Rechtfertigung für diese Kündigung aus. Das sah das LAG Schleswig-Holstein nach weiterer Aufklärung des Sachverhalts und des wahren Kündigungsgrunds anders. Die Kündigung sei treu- und sittenwidrig. Die Arbeitgeberin habe unter Verletzung des Grundrechtes der Eheschließungsfreiheit (Art. 6 Abs. 1 GG) ihr Kündigungsrecht für eine willkürliche Vorgehensweise missbraucht. Weil sie den Kläger in Kenntnis der familiären Bedingungen gezielt abgeworben habe und sich in Bezug auf seinen Arbeitsplatz und seine Tätigkeit nichts geändert habe, sei die plötzliche Einordnung als Sicherheitsrisiko, für die keine konkreten Fakten genannt wurden, willkürlich. Der angeführte betriebsbedingte Kündigungsgrund sei daher nur vorgeschoben. Die Kündigung verstoße gegen das „Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden“ (§ 138 BGB). Die Beklagte habe den Kläger willkürlich zu ihrem Spielball gemacht.
... und sie verstößt gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens
Da die Arbeitgeberin bei Vertragsabschluss von der Partnerschaft des Klägers und dessen Heiratsplänen wusste, hätte man auch mit dem Gedanken des Verbots widersprüchlichen Verhaltens (§ 242 BGB) argumentieren können. Es entspricht nämlich einem allgemeinen Grundsatz des Kündigungsrechts, dass Gründe, von denen der Kündigende bereits bei Vertragsabschluss gewusst hat, später nicht zur Begründung einer Kündigung herangezogen werden können (zB für das Mietrecht BGH, Beschl. vom 06.07.2010 - VIII ZR 180/09, WuM 2010, 512).