Kachelmann-Hauptverhandlung - eine Ansammlung von Merkwürdigkeiten
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
Als wären da der Kuriosa in diesem Verfahren nicht genug:
Ein vor dem Gerichtsgebäude in sein Diktiergerät sprechender Journalist wird wegen des Verdachts einer Straftat nach § 201 StGB festgenommen, das Gerät beschlagnahmt. (Quelle) Grund: Hinter verschlossenem Fenster im Erdgeschoss beriet das Gericht. So entstand der Verdacht, der Journalist habe die Beratungen aufgezeichnet oder aufzeichnen wollen. Eine berechtigte Befürchtung angesichts der häufigen "leaks" aus diesem Verfahren, mit denen die Nichtöffentlichkeit des Ermittlungs- und eines Großteils der Hauptverhandlung unterlaufen wurde? Oder ein absurder Vorwurf, gegründet auf übertriebenem Misstrauen mit beinahe paranoiden Zügen (siehe lawblog)? Gleich wie, das Ereignis passt in die Reihe von Merkwürdigkeiten und Besonderheiten, die dieses Verfahren bislang mit sich brachte.
So ergab sich zuletzt, dass eine Zeugin Inhalte ihrer Aussage zuvor exklusiv an eine Illustrierte verkauft hatte: Die Entscheidung, ihre Vernehmung nicht öffentlich durchzuführen (§ 171 b GVG), sicherte somit als Nebeneffekt diese Exklusivität. Dass die Zeugin damit ihre Zuverlässigkeit in eklatanter Weise untergraben hat, scheint die Staatsanwaltschaft kaum zu berühren, im Gegenteil. Der Vertreter der Staatsanwaltschaft signalisierte laut diesem Pressebericht, er habe kein Problem damit:
"Dafür gerieten Staatsanwaltschaft und Verteidigung an diesem Morgen wegen der Aussage von Katharina T. aneinander. Dass sie ihre Erlebnisse mit dem wegen Vergewaltigung angeklagten Moderator öffentlich machen will, sorgte bei der Verteidigung für Unmut. Kachelmanns Anwalt Birkenstock nahm dies zum Anlass, indirekt ihre Glaubwürdigkeit in Zweifel zu ziehen. Der Staatsanwalt sagte, die Zeugin habe am Montag korrekt auf die Fragen der Verteidigung geantwortet. Es sei ihr überlassen, ob und welche Verträge sie mit einer Illustrierten aushandle." (Quelle: Berliner Morgenpost)
Aber wenn das private "Kasse machen" von Zeugen in einem prominenten Strafverfahren Schule macht, können Justiz und Rechtsstaat auf lange Sicht einpacken. Das monetäre Interesse eines Zeugen an exklusiven und möglichst spektakulären Angaben und das Interesse des Strafverfahrens an möglichst objektiven Angaben zu einem vergangenen Ereignis widersprechen sich meist diametral. Ein seine Aussage als "exklusiv" verkaufender Zeuge missbraucht zudem die Nichtöffentlichkeit der Verhandlung zu eigennnützigen Zwecken. Einem solchen Verhalten muss scharf begegnet werden. Jedes Verständnis ist hier völlig unangebracht und bringt die Justiz in Verruf.
Die Staatsanwaltschaft hat dem entgegengehalten, auch Kachelmann und seine Anwälte hätten die Medien instrumentalisiert. Auch wenn dies - insbesondere hinsichtlich eines Interviews Kachelmanns mit ausgerechnet der "Bild" - ebenfalls kritikwürdig ist: Der kategoriale Unterschied zwischen dem Beschuldigten/Angeklagten und einem Zeugen dürfte hier doch eine gewisse Rolle bei der Bewertung spielen. Zumal Staatsanwaltschaft und Gericht im Glashaus sitzen: Auch ihre Medienarbeit ist nicht frei von - sagen wir - "Merkwürdigkeiten".