BGH und § 651 BGB: Anwendung von Kaufrecht auf Software-Erstellung ?
Gespeichert von Dr. Michael Karger am
Eine Zeitlang war § 651 BGB ein Dauerbrenner in jeder IT-rechtlichen Diskussion: Handelt es sich bei Software um eine bewegliche Sache und ist deshalb auf die Erstellung von Software Kaufrecht und nicht (das eigentlich besser passende) Werkvertragsrecht anzuwenden? Viele Autoren haben sich dazu geäußert (darunter auch - schön zu lesen, da sehr humorvoll - Prof. Thomas Hoeren in der Festschrift für Prof. Michael Bartsch).
Zwischenzeitlich war es eine Weile still geworden um § 651 BGB, nicht zuletzt deshalb, weil im Palandt (nach meiner Erinnerung mit über verschiedene Auflagen hinweg wechselnden Begründungen) die Anwendung des § 651 BGB und die Verweisung ins Kaufrecht abgelehnt wurde und damit für Viele das Thema für's Erste erledigt war.
Bis zur Entscheidung des BGH vom 23.07.2009 - VII ZR 151/08 (= NJW 2009, 2877; CR 2009, 637), die nun allmählich im IT-Recht rezipiert wird.
Die Entscheidung betrifft die analoge Welt (Lieferung von Bauteilen für die Errichtung einer Siloanlage), ist aber auch für das IT-Recht relevant. Lesenswert hierzu die Anmerkung des Kollegen Martin Schweinoch in CR 2009, 640 f., der hier - und auch in einem aktuellen Beitrag in der Computerwoche Online - zum Ergebnis kommt, der BGH habe den Begründungen der Literatur zur Vermeidung der Anwendung von § 651 BGB ein klare Absage erteilt. Schweinoch verweist u.a. auf die ASP-Entscheidung des BGH (MMR 2007, 243), in der das Gericht klargestellt habe, dass Software eine bewegliche Sache sei. Damit wäre in der Tat die Auffassung von Palandt-Spree (68. Aufl. 2009 , Einf v § 631, Rz. 22) widerlegt. Dort heißt es zu individuellen Programmierleistungen:"§651 ist in diesen Fällen mangels Sacheigensch der Leistung nicht anwenb."
Doch erster Widerspruch regt sich bereits: Der Kollege Thomas Stadler weist darauf hin, dass der BGH für diejenigen Fälle ein "Schlupfloch" gelassen habe, in denen der "Schwerpunkt des Vertrags in einer Art Planungsleistung" liege. In der Tat führt der BGH (Ziffer 25 der Entscheidung) aus, dass eine Ausnahme im Hinblick auf die Anwendung des § 651 BGB (allenfalls) dann gelten könne, wenn die Planungsleistung so dominiere, dass sie den Schwerpunkt des Vertrags bilde und deshalb die Anwendung des Werkvertragsrechts erfordere.
Damit wird man also (erneut) die Frage diskutieren müssen, was bei der Softwareerstellung typischerweise dominiert - die "Planung" im Sinne der Erstellung von Konzepten (etwa Grobkonzept und Feinkonzept) oder das "doing" im Sinne der "schlichten" Programmierung, wobei sich in der Praxis beides oft nicht trennen läßt bzw. parallel läuft. Stoff für neue Aufsätze, Vorträge und Seminare zum Thema, die bestimmt nicht lange auf sich warten lassen werden.