BGH: Verurteilung eines Betreuungsrichter rechtskäftig
Gespeichert von Prof. Dr. Bernd von Heintschel-Heinegg am
Zum Glück kommt es selten vor, dass ein Richter wegen Rechtsbeugung nach § 339 StGB verurteilt wird, aber es kommt vor und zeigt, dass die Justiz funktioniert.
Das Urteil des LG Stuttgart, nach dem sich ein Richter am Amtsgericht Nürtingen wegen Rechtsbeugung strafbar gemacht hat, ist nunmehr rechtskräftig. Der Bundesgerichtshof hat die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen. Der Richter habe systematisch auf vorgeschriebene Anhörungen verzichtet, um seine Freizeit zu optimieren. Um dies zu vertuschen, habe er Anhörungsprotokolle fingiert, so der BGH (Beschluss vom 24.06.2009, Az.: 1 StR 201/09).
Sachverhalt
Nach den Urteilsfeststellungen des LG genehmigte der Angeklagte freiheitsentziehende Unterbringungsmaßnahmen nach § 1906 Abs. 1 und Abs. 4 BGB, ohne die Betroffenen zuvor persönlich angehört oder sich von diesen einen unmittelbaren Eindruck verschafft zu haben. Obwohl er wusste, dass dies zur Ermittlung einer vollständigen Entscheidungsgrundlage und wegen der Kontrollfunktion des Gerichts in Betreuungssachen gemäß § 70c FGG zwingend gesetzlich vorgeschrieben ist, sah er bewusst hiervon ab, um sich Arbeit zu ersparen. Denn er wollte mehr Zeit für seine Familie und seine Lehraufträge an zwei Fachhochschulen haben. Um seine gesetzeswidrige Arbeitsweise zu vertuschen, fertigte der Angeklagte inhaltlich falsche Anhörungsprotokolle an, um damit den Anschein zu erwecken, dass er sich vor Genehmigung der Maßnahme einen unmittelbaren Eindruck von den Betroffenen verschafft habe. Diese Vorgehensweise des Angeklagten fiel einer Mitarbeiterin seiner Geschäftsstelle auf, die zufällig bemerkte, dass der Angeklagte die Anhörung eines Betroffenen protokolliert hatte, obwohl dieser schon längst verstorben war.
Drei Jahre und sechs Monate!
Aufgrund dieses Sachverhalts verurteilte das LG den Richter wegen Rechtsbeugung in 47 Fällen und versuchter Rechtsbeugung in sieben Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten. Der BGH verwarf die auf mehrere Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten als unbegründet. Maßgeblich hierfür war nach Angaben des BGH insbesondere, dass der Angeklagte seine richterliche Pflicht zur Anhörung der Betroffenen nicht nur im Einzelfall, etwa aus beruflicher Überlastung, vernachlässigte, sondern systematisch auf Anhörungen verzichtete, um seine Freizeit zu optimieren, und diese schwerwiegenden Verfahrensverletzungen durch fingierte Anhörungsprotokolle planvoll vertuschte.