Tod durch Polizeischüsse - der Fall Tennessee Eisenberg
Gespeichert von Prof. Dr. Henning Ernst Müller am
In der vergangenen Woche haben mehrere überregionale Zeitungen erneut über den Tod des Regensburger Musikstudenten Tennessee Eisenberg berichtet. Eisenberg war am 30. April infolge polizeilichen Schusswaffeneinsatzes zu Tode gekommen. Die Polizei war von seinem Mitbewohner alarmiert worden, Eisenberg habe ihn im verwirrten Zustand mit einem Messer bedroht und er habe aus der Wohnung fliehen müssen. Mehrere Streifenwagen fuhren zu dem Mehrfamilienhaus. Eisenberg trat den acht Beamten noch mit dem Messer in der Hand entgegen. Was dann im Treppenhaus genau geschah, wird von den Beamten wohl unterschiedlich berichtet, die Akten sollen inzwischen 800 Seiten umfassen. Die Regensburger Staatsanwaltschaft wurde zunächst damit zitiert, es liege trotz der vielen Schusswunden wohl ein Fall der Nothilfe vor, ein Beamter habe vor dem Angriff des Studenten gerettet werden müssen. Die beiden Beamten, die geschossen hatten, blieben zunächst im normalen Streifendienst.
Nun liegt nach vielen Wochen ein ballistisches Gutachten vor: Insgesamt 16 Schüsse wurden abgegeben, 12 trafen den Studenten, 7 davon von hinten. Letzteres schließt natürlich eine Nothilfe nicht aus, aber die Anzahl der Schüsse (gegen einen einzelnen Angreifer mit Messer) lässt gewisse Zweifel an der Erforderlichkeit der Notwehr aufkommen. Der Anwalt der Familie, RA Tronicsek, und auch Ltd. Oberstaatsanwalt Ruckdäschel sind in ihren Bewertungen im Moment vorsichtig (Videobericht des Tv-Regionalsenders tva vom 22. Juli). Die beiden Beamten wurden in den Innendienst versetzt, eine Vorverurteilung sollte darin aber nicht zu sehen sein. Ein von der Familie des Opfers in Auftrag gegebenes weiteres Gutachten soll jetzt abgewartet werden, bevor die Staatsanwaltschaft erneut Stellung nimmt.
Weniger vorsichtig ist DPolG-Landeschef Hermann Benker, der meinte, die Familie habe gegen die Beamten öffentlich "gehetzt". (Quelle) Von einer solchen Hetze kann aber wohl nicht die Rede sein, im Gegenteil, alle Äußerungen von Famiie und ihren Anwälten, die in den Medien verbreitet wurden, sind von Zurückhaltung geprägt (Webseite der Familie). Dass ein solcher Vorfall und ein eventuelles Fehlverhalten der Polizeibeamten aufgeklärt werden müssen, ist m. E. selbstverständlich - und das muss auch das Interesse der Polizei und der StA sein, denn die Frage liegt auf der Hand: Warum konnten so viele Beamte nicht ohne oder wenigstens mit vorsichtigerem Schusswaffeneinsatz eine solche Situation meistern? In der Politik wird vor allem die Frage der Polizeimunition diskutiert (Video des BR), aber auch andere Abwehrtechniken - unabhängig von der Schusswaffe, sollten Thema sein. Rechtlich ist, wenn eine Rechtfertigung gemäß § 32 StGB etwa an der Erforderlichkeit scheitern sollte, auch noch an eine Entschuldigung gemäß § 33 StGB zu denken.
(edit: 20.10.2009)